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Übersicht
1. Einleitung
2. Problemgeschichte
3. Stand der Forschung
4. Bibliographie
5. Anmerkungen und bibliographische Kurzhinweise
1. Einleitung
1.1 Verwendungsweisen des Bewusstseinsbegriffs
Die Begriffe ”bewusst” und ”Bewusstsein” bezeichnen
in der Alltagspsychologie eine Reihe verschiedener Phänomene. Hauptsächlich
lassen sich die folgenden fünf Verwendungsweisen unterscheiden. Erstens
wird der Begriff des Bewusstseins als einstelliges Prädikat Personen
zugeschrieben, um damit zu kennzeichnen, dass diese sich im Zustand des
Wachseins befinden und dazu in der Lage sind, Reize aufzunehmen und auf
diese zu reagieren. Zweitens wird ”bewusst” als zweistelliges
Prädikat verwendet, um den Bezug von Personen auf Objekte der Wahrnehmung,
des Denkens, etc. zu beschreiben. Bewusstsein dieses Typs, zu dem neben
dem begrifflich strukturierten Bewusstsein von Objekten unter einer Beschreibung
auch die vorbegriffliche Aufmerksamkeit auf äußere Objekte
zählt, ist intentional, da es stets ”Bewusstsein von etwas”
ist. Drittens wird „Bewusstsein“ als Eigenschaft mentaler
Zustände verstanden. Dabei muss zwischen zwei Bedeutungen unterschieden
werden, in denen ”bewusst” als einstelliges Prädikat
auf mentale Zustände angewendet wird. Zum einen werden mentale Zustände
als bewusst bezeichnet, wenn ihre Inhalte für Überlegungen und
zur Verhaltenskontrolle verfügbar sind. In diesem Sinne können
nicht nur intentionale Zustände wie zum Beispiel Überzeugungen,
sondern auch sensorische Zustände wie Empfindungen ”zugriffsbewusst”
sein. Zum anderen sind mentale Zustände bewusst, wenn wir Kenntnis
von ihren Erlebnisqualitäten nehmen und erfahren, wie es ist, sich
in dem betreffenden Zustand zu befinden. Dieses Bewusstsein von den phänomenalen
Qualitäten bzw. Qualia mentaler Zustände wird im allgemeinen
auf sensorische Zustände eingeschränkt. Der Gehalt des phänomenalen
Bewusstseins ist nicht öffentlich, sondern nur für die Person
zugänglich, die sich in dem betreffenden sensorischen Zustand befindet.
Viertens wird mit dem Begriff des Bewusstseins die Aufmerksamkeit auf
die eigenen mentalen Zustände beschrieben. Der Begriff ”bewusst”
wird dabei als zweistelliges Prädikat gebraucht, das auf Personen
und deren mentale Zustände bezogen wird. Dieses Bewusstsein kann
sowohl vorbegrifflich als auch begrifflich strukturiert sein. Im letzten
Fall hat es zum Inhalt, dass sich eine Person in einem bestimmten Zustand
befindet. Es ist zudem reflexiv, weil die Selbstzuschreibung mentaler
Zustände voraussetzt, dass das betreffende Subjekt über einen
geeigneten Begriff von sich selbst als potentiellem Träger solcher
Zustände verfügt. Diese Art des Bewusstseins wird überwiegend
entweder als innere Wahrnehmung (Introspektion) oder als höherstufiges
Wissen der eigenen inneren Zustände beschrieben. Fünftens wird
unter ”Bewusstsein” das begrifflich strukturierte und reflexiv
verfasste Selbstbewusstsein von sich als identischer Person mit bestimmten
Überzeugungen, Absichten, etc. verstanden. Dieses ist von dem zuvor
genannten Selbstbewusstsein insofern verschieden, als es über die
inhaltliche Bestimmung des Subjekts als eines bloßen Trägers
mentaler Zustände hinausgeht.
Zusätzlich zu diesen alltagspsychologischen Verwendungsweisen wird
in neueren philosophischen Diskussionen zwischen System- und Zustandsbewusstsein
differenziert. Logische Subjekte von Bewusstseinzuschreibungen können
danach sowohl ganze Systeme als auch subpersonale Zustände sein.
In der wissenschaftlichen Psychologie und in der Kognitionswissenschaft
zerfällt der Bewusstseinsbegriff in eine Vielzahl von empirischen
Forschungsgegenständen wie Schwellenregulation, unspezifische Aktivierung,
Orientierungsreaktion und Habituation, Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis,
Aufmerksamkeitskontrolle oder implizite versus explizite Kognition. Ein
neueres Konzept ist das eines ”globalen Arbeitsspeichers”,
verknüpft mit dem Gedanken, dass bewusste Information stets global
verfügbare Information ist (vgl. 3.2).
Angesichts dieser verschiedenen Verwendungsweisen von ”bewusst”
und ”Bewusstsein” sowie des vollständigen Fehlens eines
äquivalenten Konzeptes in vielen Sprachen ist es fraglich, ob Bewusstsein
überhaupt ein einheitliches Phänomen ist. Zudem bringt der Umstand,
dass der Begriff des Bewusstseins auf derart unterschiedliche psychische
Phänomene angewendet wird, den Kontrast zum Ausdruck, der zwischen
der Vertrautheit mit dem Phänomen des Bewusstseins und den Schwierigkeiten
bei dessen begrifflicher Interpretation besteht. Einerseits sind uns wenige
Dinge so vertraut, wie zum Beispiel das bewusste Erleben von Wahrnehmungen
oder das bewusste Schlussfolgern. Andererseits kennen wir kaum ein Phänomen,
dessen Beschreibung und Erklärung vergleichbare Schwierigkeiten bereitet.
Aus diesem Grund gibt es bislang weder unkontroverse vortheoretische Beschreibungen
wesentlicher Merkmale von Bewusstsein, noch allgemein akzeptierte Theorien
zu dessen Erklärung. Diese Schwierigkeiten können nicht allein
durch empirische Untersuchungen beseitigt werden. Vielmehr sind dazu in
erster Linie begriffliche Analysen erforderlich, welche die Grundzüge
verschiedener Bewusstseinsbegriffe bestimmen (siehe 3.1) sowie die Bedingungen
für die intersubjektive Erforschung von Bewusstseinsphänomenen
klären (siehe 3.2), um damit einen theoretischen Rahmen bereitzustellen,
innerhalb dessen die Interpretation empirischer Ergebnisse möglich
wird.
1.2 Definition von ”Bewusstsein”
Die Verwendung des Bewusstseinsbegriffs im Deutschen wird
von Christian Wolff etabliert, der ihn 1719 erstmals als substantivierten
Infinitiv in den folgenden vier Schreibweisen benutzt: Bewusst sein, Bewusstsein,
Bewusst-sein und bewusst Sein. Hingegen wird der Infinitiv ”bewusst
sein” als Übersetzung des lateinischen ”sibi conscium
esse” bereits vorher verwendet. Wolffs Bewusstseinsbegriff ist die
Übersetzung des lateinischen Begriffs ”conscientia”,
dessen moderne Bedeutung als ein das Denken begleitendes Wissen von den
eigenen Gedanken vor allem von René Descartes geprägt wurde.
Neben diesem Begriff werden im Lateinischen auch ”cogitatio”,
”apperceptio” und ”sensus internus” mit dieser
Bedeutung verwendet. Der Begriff der conscientia stellt den Stammbegriff
der Terminologien sowohl in den romanischen Sprachen als auch im Englischen
dar. Er leitet sich aus der Verbindung von ”cum” (”mit”,
”zusammen”) und ”scire” (”wissen”)
ab und bezeichnet sowohl in der Antike als auch in der Scholastik überwiegend
entweder das moralische Gewissen oder ein gemeinsames Wissen mehrerer
Personen von (meist) moralischen Sachverhalten. Seit Beginn der Neuzeit
dominiert die Bedeutung von ”conscientia” als Kenntnis der
eigenen geistigen Zustände. Da ”cum” auch eine rein emphatische
Funktion besitzen kann, bedeutet der Begriff der conscientia in manchen
Zusammenhängen auch, etwas besonders sicher zu wissen. Während
”conscientia” vor Descartes vor allem auf Personen Anwendung
findet, wird es danach primär auf geistige Zustände bezogen.
Der griechische Vorläufer des Begriffs ”conscientia”:
der Begriff der ?????????? (syneidesis), teilt mit jenem die Bedeutung
des moralischen Gewissens. Zudem weist das lateinische ”cum”
ebenso wie das griechische Präfix ”???” auf den synthetisierenden
und begleitenden Aspekt von Bewusstsein hin.
2. Problemgeschichte
In der lateinischen Antike wird der Bewusstseinsbegriff von Seneca und
Cicero sowohl mit der Bedeutung des moralischen Gewissens als auch im
Sinne eines inneren Wissens verwendet, das unsere geistigen Operationen
begleitet. Diese doppelte Bedeutung findet sich auch bei Thomas von Aquin.
Neben der Bedeutung von ”conscientia” als Gewissen konzipiert
er Bewusstsein als einen den äußeren Sinnen übergeordneten
inneren Sinn, dessen Funktion darin besteht, uns über die Zustände
unserer Sinnesorgane in Kenntnis zu setzen und uns zum Beispiel mitzuteilen,
dass wir etwas sehen. Mit dieser Konzeption reagiert Thomas von Aquin
auf Schwierigkeiten, die sich aus der These von Aristoteles ergeben, wir
würden zum Beispiel vermittels des Gesichtssinnes auch wahrnehmen,
dass wir etwas sehen. Zudem soll dieser innere Sinn die Aufgabe haben,
die Wahrnehmungsinhalte verschiedener Sinnesorgane zusammenzuführen
und beispielsweise im Fall der Wahrnehmung von Zucker Verbindungen zwischen
dem Geschmack von etwas Süßem und der visuellen Wahrnehmung
von etwas Weißem herzustellen (siehe 3.2.1). Das Bewusstsein, verstanden
als ein solcher integrierender Sinn, richtet sich damit nicht allein auf
Geistiges, sondern auch auf die Sinnesorgane.
Descartes konstituiert den modernen Bewusstseinsbegriff, indem er ihn
vom Begriff des Gewissens loslöst und zum zentralen Merkmal des Menschen
macht. Descartes zufolge ist Denken das Wesen des Geistes, und alles,
was sich im Geist befindet, ist diesem unweigerlich bewusst: dem Denker
kann nicht entgehen, dass und was er denkt (zur epistemischen Transparenz
der eigenen mentalen Zustände siehe 3.3.3). Denken (cogitatio) und
Bewusstsein (conscientia) werden von Descartes miteinander gleichgesetzt.
Zudem fasst er den Begriff des Denkens sehr weit und versteht darunter
alle Akte des Intellekts, der Einbildungskraft und der Sinne. Zwar lässt
Descartes die Möglichkeit reflektierenden Bewusstseins im Sinne höherstufiger
Gedanken von den eigenen geistigen Zuständen zu. Aber das Bewusstsein,
das Merkmal aller geistigen Zustände sein soll, wird von ihm als
nicht-reflektierendes Bewusstsein verstanden. Es besteht darin, dass ein
Subjekt, dem ein Gedanke in diesem Sinne bewusst ist, über die Disposition
zur Bildung höherstufiger Gedanken und damit zur Bildung reflektierenden
Bewusstseins grundsätzlich in der Lage ist. Bewusstsein ist Descartes
zufolge zwar kein eigentliches Wissen, aber es stellt uns einen Zugang
zu den eigenen geistigen Zuständen bereit, der gegenüber möglichen
Zweifeln immun ist. In diesem Sinne verschafft uns Bewusstsein einen privilegierten
Zugang zu unseren mentalen Zuständen.
Antoine Arnaulds Konzeption des Bewusstseins stimmt mit der Position von
Descartes weitgehend überein. Ebenso wie dieser unterscheidet Arnauld
zwischen einem als Disposition verstandenen Bewusstsein (réflexion
virtuelle), das alles Denken begleitet, und einem reflektierenden Bewusstsein,
das durch höherstufige Gedanken von den eigenen geistigen Zuständen
gebildet wird. Dabei legt Arnauld ebenfalls einen sehr weiten Begriff
des Denkens zugrunde, der alle perzeptiven und kognitiven Tätigkeiten
umfasst.
Die an Descartes anschließenden Entwicklungen zeichnen sich erstens
dadurch aus, dass der Begriff des Bewusstseins zusehends von den Begriffen
des Denkens und des Geistes differenziert wird, womit die Möglichkeit
unbewusster mentaler Zustände zugelassen wird. Zweitens werden die
beiden Aspekte der Reflexivität (Subjektbezug) und der Intentionalität
(Objektbezug) des Bewusstseins von den nachfolgenden Autoren stärker
herausgearbeitet, als dies beim Bewusstseinsbegriff von Descartes der
Fall ist.
John Locke identifiziert ebenso wie Descartes Bewusstsein und Mentales.
Ähnlich wie bei Descartes beruht diese Identifikation darauf, dass
Locke alle perzeptiven und kognitiven Vermögen unter dem Sammelbegriff
der Perzeption zusammenfasst und behauptet, es könne keine unbewussten
Perzeptionen geben. Lockes Ansatz unterscheidet sich allerdings von der
Position Descartes´ darin, dass Locke Bewusstsein als reflektierendes
Bewusstsein versteht, das er als innere Wahrnehmung unserer geistigen
Zustände kennzeichnet.
David Hume konzentriert sich ebenfalls auf introspektives Bewusstsein,
das er als Reflexion sowie als inneres Gefühl (inward sentiment)
bezeichnet. Hume zufolge können grundsätzlich nur Perzeptionen
wie Eindrücke und Vorstellungen, aber niemals die Seele selbst Gegenstand
des Bewusstseins sein. Da wir folglich von der Seele keine Eindrücke
und damit auch keine Vorstellungen besitzen können, lehnt Hume die
Annahme eines substantiellen Trägers von Perzeptionen ab und versteht
den Geist statt dessen als Bündel wechselnder Perzeptionen. Er verwendet
daher die Metapher vom Geist als einem inneren Theater, auf dem alle Perzeptionen
auftreten und durch die Reflexion wahrgenommen werden, mit dem Vorbehalt,
dass diese Metapher nicht die Annahme der Existenz von einer im Wechsel
der Perzeptionen beständigen Seelensubstanz impliziert.
Ähnlich wie Locke und Hume versteht auch Gottfried Wilhelm Leibniz
Bewusstsein im Sinne der introspektiven Kenntnis der eigenen inneren Zustände.
Er unterscheidet daher die ”Apperception” als reflexives Wissen
oder Bewusstsein (conscience) der inneren Zustände der Monade von
der ”Perception”, die den inneren Zustand einer Monade darstellt,
der ”äußere Dinge” repräsentiert. Leibniz
wendet sich gegen Lockes Behauptung, alle geistigen Zustände wären
bewusst, mit dem Einwand, diese These führe letztlich zu einem unendlichen
Regress, weil danach auch jeder bewusste mentale Zustand seinerseits das
Objekt eines höherstufigen Bewusstseinszustandes sein muss. Aus diesem
Grund kann es Leibniz zufolge unbewusste geistige Zustände geben.
Allerdings lässt sich dieser Einwand entschärfen, wenn man Lockes
These so interpretiert, dass nur mentale Zustände erster Stufe prinzipiell
bewusst sein sollen. Christian Wolff schließt sich der Position
von Leibniz an und erweitert sie um den Aspekt der Intentionalität,
indem er neben dem Bewusstsein von uns selbst auch von Bewusstsein spricht,
das sich auf andere Dinge richtet.
Thomas Reid wendet sich gegen Lockes Identifikation von Bewusstsein und
Reflexion mit dem Argument, dass zum Beispiel im frühen Kindesalter
bereits Bewusstsein vorliegt, obwohl die Kinder ihre eigenen mentalen
Zustände nicht zum Gegenstand reflexiven introspektiven Bewusstseins
machen. Zudem unterscheidet Reid das introspektive Bewusstsein als unmittelbares
Wissen von den mit diesem Bewusstsein gleichzeitig auftretenden inneren
Zuständen von dem retrospektiven Bewusstsein, das sich auf vergangene
mentale Zustände richtet. Laut Reid ist das introspektive Bewusstsein
das einzige Mittel, um sich der Existenz mentaler Zustände zu versichern.
Hingegen soll das retrospektive Bewusstsein dazu nicht ausreichen, weil
wir Reid zufolge retrospektiv nur feststellen können, was wir bereits
introspektiv wahrgenommen haben. Dieser Ansatz bringt allerdings folgendes
Problem mit sich: Wenn die Behauptung einer Person, sie habe Schmerzen,
nur dann gerechtfertigt ist, wenn ihr diese Schmerzerfahrung introspektiv
bewusst ist, wie rechtfertigt sie dann die Behauptung, sie habe diese
Schmerzen introspektiv wahrgenommen? Wenn man diese Frage damit beantwortet,
dass die zweite Behauptung damit gerechtfertigt wird, dass diese Person
auch introspektives Bewusstsein von ihrer introspektiven Wahrnehmung des
Schmerzes hat, dann kann diese Person nur unter der Bedingung von sich
behaupten, sie habe Schmerzen, wenn sie zudem darin gerechtfertigt ist,
eine unendliche Anzahl von Aussagen hinsichtlich Introspektionen verschiedener
Stufe zu behaupten. Wird die Frage hingegen damit beantwortet, dass das
introspektive Bewusstsein erster Stufe selber die Behauptung, introspektives
Bewusstsein von Schmerz zu haben, rechtfertigen soll, dann kann mit gleichem
Recht entgegnet werden, dass auch das Vorliegen des Schmerzes selber die
Aussage, man habe Schmerzen, rechtfertige. Introspektives Bewusstsein
kann folglich für die Selbstzuschreibung mentaler Zustände nicht
erforderlich sein. Zudem muss es von phänomenalem Bewusstsein unterschieden
werden.
Immanuel Kant differenziert zwischen empirischem und transzendentalem
Bewusstsein, denen eine synthetisierende, einheitsstiftende Funktion gemeinsam
ist. Das empirische Bewusstsein, das von Kant als innerer Sinn bezeichnet
wird, ist die reflexive Kenntnis der eigenen Vorstellungen. Laut Kant
haben alle Vorstellungen eine notwendige Beziehung auf mögliches
empirisches Bewusstsein. Diesem empirischen Bewusstsein, das wechselnde
Vorstellungen umfasst, liegt als einheitsstiftendes Prinzip das aller
Erfahrung vorangehende transzendentale Bewusstsein zugrunde, das in dem
reinen und unwandelbaren Bewusstsein von sich selbst bzw. in der bloßen
Vorstellung des Ich besteht. Dieses Abhängigkeitsverhältnis
bringt Kant mit der Formel zum Ausdruck, dass der Gedanke mit dem Inhalt
”Ich denke” alle meine Vorstellungen begleiten können
muss, damit es ein einheitliches empirisches Bewusstsein geben kann. Alles
empirische Bewusstsein hat also eine notwendige Beziehung auf transzendentales
Bewusstsein, welches dadurch, dass es empirisches Bewusstsein möglich
macht, auch zum Grund aller Gegenstandskonstitution wird. Das Bewusstsein
wird bei Kant als transzendentale Einheit der Apperzeption also zur grundlegenden
Bedingung der Möglichkeit von Gegenständen der Erfahrung und
damit von Wirklichkeit überhaupt.
Im Mittelpunkt der an Kant anschließenden idealistischen Konzeptionen
steht das Bewusstsein in seiner transzendentalen, gegenstandskonstituierenden
Funktion. Karl Leonhard Reinhold beschreibt dieses Bewusstsein in dem
als ”Satz des Bewusstseins” bezeichneten obersten Grundsatz
seines Systems. Demnach zeichnet es sich dadurch aus, dass in ihm die
Vorstellung durch das Subjekt von Subjekt und Objekt unterschieden und
auf beide bezogen wird. In ähnlicher Weise beschreibt auch Salomon
Maimon das gegenstandskonstituierende Bewusstsein als ein Subjekt- und
Objektbewusstsein umgreifendes Bewusstsein von den Beziehungen dieser
beiden Bewusstseinstypen zueinander. Er beschreibt dieses übergeordnete
Bewusstsein, das weder Bewusstsein des Subjekts (Selbstbewusstsein) noch
Bewusstsein eines Objekts (Gegenstandsbewusstsein) ist, als ”unbestimmtes
Bewusstsein” bzw. als ”Handlung des Wissens überhaupt”.
Johann Gottlieb Fichte vertritt die Auffassung, dass Denken stets von
unmittelbarem Selbstbewusstsein begleitet wird. Dies kann kein reflektierendes
Bewusstsein im Sinne höherstufiger Gedanken sein, weil es laut Fichte
selber kein Denken, sondern vielmehr die Bedingung allen Denkens ist.
Aus diesem Grund versteht er das unmittelbare Selbstbewusstsein als „intellektuelle
Anschauung“.
Die Beziehung des Ich auf einen inneren oder äußeren Gegenstand
wird von Georg Wilhelm Friedrich Hegel als endliches Bewusstsein bestimmt.
Dieses setzt die Verschiedenheit des Subjekts und des Objekts des Bewusstseins
voraus und lässt sich Hegel zufolge in sinnliches, wahrnehmendes
und verständiges Bewusstsein unterscheiden. Das endliche Bewusstsein
stellt laut Hegel den Ausgangspunkt der Selbstsetzung des Geistes dar,
der von diesem Bewusstsein über den Zwischenschritt des Selbstbewusstseins
zur Vernunft aufsteigt.
Im Anschluß an den Deutschen Idealismus und mit dem Aufkommen des
Positivismus findet hinsichtlich des Bewusstseinsbegriffs wieder eine
stärkere Hinwendung zu psychischen Phänomenen statt. Vor allem
im Umfeld des Neukantianismus verstehen Autoren wie zum Beispiel Paul
Natorp den Bewusstseinsbegriff als zentralen Begriff der Psychologie,
weil sie Bewusstsein als wesentliches Merkmal des Psychischen ansehen.
Ebenso vertreten Johann Friedrich Herbart und Theodor Lipps die Auffassung,
dass das Bewusstsein und bewusste mentale Zustände den Mittelpunkt
psychologischer Überlegungen bilden. Im Kontext solcher Überlegungen
stellt Thomas Huxley die grundsätzliche Frage, ob es überhaupt
möglich ist, Bewusstsein im Rahmen objektivierender Wissenschaften
zu erklären. Huxley thematisiert Bewusstsein dabei vor allem als
phänomenales Bewusstsein. Seiner Auffassung nach liegt das ”Rätsel
des Bewusstseins” darin, auf der Basis objektiver Sachverhalte das
Zustandekommen bewusster, geistiger Zustände mit subjektiven Erlebnisqualitäten
zu erklären. Laut Huxley ist das Auftreten solcher bewusster Zustände
auf der Basis neuronaler Prozesse nicht weniger erstaunlich als das Erscheinen
des Dschinns als Folge von Aladins Reiben an der Lampe in dem bekannten
Märchen. Damit weist Huxley bereits auf die ”Erklärungslücke”
hin, die auch nach Auffassung vieler Gegenwartsautoren zwischen unseren
naturwissenschaftlichen Theorien und unserem eigenen, bewussten Erleben
besteht.
Ebenso wie Franz Brentano und Jean-Paul Sartre konzentriert sich Edmund
Husserl auf die Intentionalität von Bewusstsein, das er hauptsächlich
als ”Bewusstsein von etwas” thematisiert. Husserl geht es
um die Beantwortung der Frage, aufgrund welcher Eigenschaften Bewusstsein
intentional ist. Eine Antwort auf diese Frage muss laut Husserl vor allem
erklären können, worauf die Intentionalität von Bewusstsein
in solchen Fällen beruht, in denen wie im Fall der Fehlwahrnehmung
oder bei Gedanken mit fiktiven Inhalten keine realen Objekte vorliegen,
auf die sich das Bewusstsein richten kann. Die für die Intentionalität
konstitutiven Merkmale bezeichnet er als ”noemata“. Diese
werden im Zuge einer Reflexion auf das Bewusstsein identifiziert, die
Husserl ”epoché” nennt. Um die zielgerichtete Selbstbeobachtung
von einem eher begleitenden Bewusstsein zu unterscheiden, differenziert
Brentano zwischen innerer Beobachtung und innerer Wahrnehmung.
William James wendet sich gegen die Auffassung von Bewusstsein als selbständiger
mentaler Entität und argumentiert statt dessen für eine relationale
Analyse des Bewusstseinsbegriffs. Phänomenologisch kennzeichnet er
Bewusstsein als „Strom des Bewusstseins“, der sich in beständigem
Wechsel befindet und weder abrupte Übergänge noch klar unterscheidbare
Komponenten aufweist.
Gilbert Ryle setzt sich im Rahmen sprachanalytischer Überlegungen
kritisch mit dualistischen Theorien des Geistes und dem mit ihnen verbundenen
Begriff des Bewusstseins auseinander, den er polemisch mit der Metapher
vom ”Geist in der Maschine” charakterisiert. Er wendet sich
erstens gegen das Argument, dass geistige Zustände stets von Bewusstsein
begleitet werden, weil der Geist gleichsam auf einer ”inneren Bühne”
alles beobachtet, was in ihm vorgeht. Ryle zufolge haben wir zwar oft
die Möglichkeit, uns unserer geistigen Zustände bewusst zu werden,
aber diese Möglichkeit wird nicht in allen Fällen realisiert.
Zweitens kritisiert er die Auffassung des introspektiven Bewusstseins
als einer inneren Wahrnehmung, die zu infalliblem Wissen führt und
damit einen privilegierten Zugang zu unseren eigenen geistigen Zuständen
bereitstellt. Laut Ryle gibt es weder mentale Objekte, die Gegenstand
einer solchen inneren Wahrnehmung sein könnten, noch ist es angemessen,
in diesem Kontext von Wissen zu sprechen. Hinzu kommt, dass das introspektive
Bewusstsein durchaus fallibel ist, denn es gibt viele Belege dafür,
dass wir uns über unsere eigenen geistigen Zustände täuschen
können. Ryle kommt zu der Konsequenz, dass sich der Zugang zum Bewusstsein
aus der Perspektive der ersten Person nicht wesentlich von dem aus der
Perspektive der dritten Person unterscheidet. Diese Position stellt eine
zentrale Voraussetzung des Behaviourismus dar, der in der empirischen
Psychologie bis zur Mitte der sechziger Jahre dominierte. Sie wird in
gegenwärtigen philosophischen Diskussionen vor allem von Daniel Dennett
vertreten.
Ludwig Wittgenstein bestreitet ebenfalls, dass uns introspektives Bewusstsein
einen privilegierten und mit infalliblem Wissen verbundenen Zugang zu
unseren eigenen mentalen Zuständen verschafft. Anders als Ryle begründet
Wittgenstein diese Position damit, dass wir kein Wissen von unseren mentalen
Zuständen haben können, weil es nicht möglich ist, eine
Privatsprache zu bilden und in dieser gehaltvoll über die stets privaten
mentalen Zustände zu sprechen.
Im Mittelpunkt des philosophischen Interesses steht seit Beginn der siebziger
Jahre unseres Jahrhunderts das phänomenale Bewusstsein. Von Thomas
Nagel stammt das Argument, dass das phänomenale Bewusstsein bzw.
die subjektiven Aspekte unseres bewussten Erlebens im Rahmen naturwissenschaftlicher
Theorien grundsätzlich nicht erklärt werden können, weil
sich solche Erklärungen gerade dadurch auszeichnen, dass sie von
konkreten subjektiven Qualitäten bzw. von allen individuellen Perspektiven
abstrahieren müssen. Das Bestehen einer solchen prinzipiellen Erklärungslücke
wiegt laut Nagel besonders schwer, weil seiner Auffassung nach Bewusstsein
stets mit phänomenalem Bewusstsein verbunden ist, so dass alle bewussten
Zustände subjektive Erlebnisqualitäten besitzen. Das traditionelle
Leib-Seele-Problem, das darin besteht, die Möglichkeit von Wechselwirkungen
zwischen Entitäten verschiedener ontologischer Kategorien zu erklären,
wird damit zusätzlich erschwert: Wenn es um die Erklärung der
Interaktion zwischen körperlichen und bewussten mentalen Zuständen
geht, dann hat man es laut Nagel bei den zuletzt genannten Zuständen
mit Phänomenen zu tun, die sich dem Zugriff objektivierender Beschreibungen
prinzipiell entziehen.
Frank Jackson führt diese Überlegungen mit dem Gedankenexperiment
der Superwissenschaftlerin Mary fort, die bislang in einer Schwarz-Weiß-Welt
gelebt hat und alle physikalischen Fakten über die Wirklichkeit kennt.
Wenn Mary die Schwarz-Weiß-Welt verlässt und zum ersten Mal
Farben sieht, dann erfährt sie laut Jackson etwas Neues über
die Welt, denn sie lernt die nicht-physikalische, subjektive Erlebnisqualität
kennen, wie es ist, zum Beispiel etwas Rotes zu sehen. Jackson zufolge
zählen solche das subjektive Erleben betreffende Fakten zu den nicht-physikalischen
Tatsachen, weshalb prinzipiell keine physikalistische Theorie dazu in
der Lage sein soll, dem phänomenalen Bewusstsein Rechnung zu tragen.
3. Stand der Forschung
Das zentrale erkenntnistheoretische Problem (die “epistemische Asymmetrie”
) besteht demzufolge darin, dass Wissen über Bewusstsein durch zwei
verschiedene Zugangsweisen erlangt werden kann, von innen und von außen,
aus der Perspektive der ersten Person (3.1) und aus der objektivierenden
Außenperspektive, z.B. durch den Zugriff auf seine neuronalen und
funktionalen Korrelate (3.2). Die Antworten auf diese philosophische Grundproblematik
spiegeln sich in der Palette verschiedener theoretischer Modelle wider
(3.3).
3.1. Phänomenologische Merkmale
des bewussten Erlebens
Phänomenales Bewusstsein aus der Innenperspektive des erlebenden
Subjekts zeichnet sich durch eine Reihe von Eigenschaften aus, die begrifflich
schwer zu fassen, andererseits aber essentiell für das Phänomen
als solches sind.
3.1.1. Qualia
Qualia sind phänomenale Eigenschaften erster Ordnung. Einfache subjektive
Erlebnisqualitäten wie die Qualität von ”Dunkelindigo”
in einem bewussten Farberlebnis oder die olfaktorische Qualität von
”Sandelholz” in einem Geruchserlebnis, aber auch Körperempfindungen
und Emotionen sind Beispiele für solche Eigenschaften. Sie widersetzen
sich nach Auffassung vieler Philosophen einer reduktionistischen Analyse
, weil sie den intrinsischen Kern eines Erlebnisses bilden, der sich begrifflich
nicht auf Beziehungen zwischen Elementen tieferliegender Beschreibungsebenen
zurückführen lässt. Eine Vielzahl von Varianten klassischer
Gedankenexperimente versucht zu zeigen, dass jede wie auch immer reichhaltige
Aussage über die physische oder funktionale Organisation eines Wesens
mit qualitativen Zuständen immer mit der Annahme verträglich
ist, dass durch das bewusste Erleben dieses Wesens keine oder radikal
andere phänomenale Eigenschaften instantiiert werden. Qualia sind
außerdem sprachlich nur schwer fassbar und unterliegen als private
Eigenschaften der epistemischen Asymmetrie (vgl. 3.3). Eine Reihe von
Autoren vertritt deshalb eine eliminativistische Strategie und bestreiten
die Existenz von Qualia überhaupt.
3.1.2. Homogenität
Homogenität ist eine höherstufige Eigenschaft elementarer Sinnesempfindungen.
Die in ihnen instantiierte phänomenale Eigenschaft erster Ordnung
– zum Beispiel die Farbe ”Dunkelindigo” - besitzt eine
Feldqualität, einen Kontinuumscharakter (”ultra-smoothness”;
”ultimate homogeneity” ), weil es aufgrund ihrer strukturlosen
Dichte den Anschein hat, als befände sich zwischen zwei beliebig
nahe beieinanderliegenden Punkten in der entsprechenden Region des phänomenalen
Raums immer noch ein dritter Punkt. Dieses sogenannte grain-problem besteht
darin, dass Farbprädikate wie ”Dunkelindigo” dann primitive
und irreduzible Prädikate sind, wenn sie sich auf Eigenschaften beziehen,
die Dingen zukommen, die sich ihrerseits ausschließlich aus Dingen
aufbauen, denen diese Eigenschaft selbst wieder zukommt. Die ungekörnte
Glattheit einfachster Sinnesempfindungen lässt sich prima facie nicht
auf Beziehungen zwischen Elementen tieferliegender Beschreibungsebenen
reduzieren.
3.1.3. Präsenz
Phänomenaler Gehalt ist im allgemeinen direkt und unmittelbar gegeben,
dem subjektiven Erleben nach besitzt er eine instantane Qualität.
Diese scheinbar direkte Gegebenheit und die zeitliche Unmittelbarkeit
innerhalb eines bewusst erlebten Jetzt führt in der philosophischen
Interpretation oft über eine Äquivokation von ”Gegebenheit”
zu erkenntnistheoretischen Fehlschlüssen. Unter einer phänomenologischen
Analyse sind subjektive Erlebnisqualitäten nichts, was vom phänomenalen
Erlebnissubjekt aktiv konstruiert wird. In ihrer Mannigfaltigkeit sind
sie auf anstrengungslose Weise und innerhalb der Einheit einer als objektiv
erlebten Gegenwart gegeben, als Elemente des phänomenalen Selbst
innerhalb der Einheit eines anwesenden Subjekts. Diese Integration in
ein phänomenales Gegenwartsfenster ist ein wesentlicher Aspekt des
naiven Realismus, durch den das phänomenale Erleben fast durchgängig
charakterisiert ist.
3.1.4. Transparenz
Phänomenale Repräsentationen der Wirklichkeit zeichnen sich
in Standardsituationen dadurch aus, dass sie vom erlebenden Subjekt nicht
mehr als Repräsentationen erkannt werden können. Die Mittel
der Darstellung selbst sind introspektiv nicht penetrabel, sodass das
Subjekt den Eindruck hat, durch seine repräsentationalen Zustände
hindurch direkt auf ihren Gehalt zu schauen. Für diesen Gedanken
sind unterschiedliche Begriffe geprägt worden, die Konzepte der ”diaphanousness”
und ”transparency” , in der neueren Debatte das der ”semantischen
Transparenz”. Wenn der inneren Aufmerksamkeit keine nicht-intentionalen
Eigenschaften mentaler Repräsentationen zugänglich sind, dann
erklärt dies die erlebnismässig so prägnante Unmittelbarkeit
des Kontaktes zur phänomenalen Welt. Die empirische Frage ist, genau
welche kausalen Eigenschaften in der funktionalen Architektur des zentralen
Nervensystems für diesen Umstand verantwortlich sind.
3.1.5. Globale Integration und
konvolvierter Holismus
Bewusstes Erleben vollzieht sich immer vor dem Hintergrund eines globalen
situationalen Kontexts, das Erlebnissubjekt befindet sich in einer Welt.
Sowohl die phänomenale Welt als auch das phänomenale Selbst
bilden dabei eine unhintergehbare Einheit. Der klassischen Frage nach
der Unteilbarkeit und Einheit des Bewusstseins bei Descartes, Kant oder
Brentano entspricht eine höchststufige phänomenale Eigenschaft,
die Eigenschaft der Ganzheit. Diese Ganzheit entsteht dadurch, dass die
bewusst erlebte Welt in einem begrifflich schwer zu fassenden Sinn kohärent
ist, denn das Erleben dieser Welt ist ein integriertes Erleben. Das phänomenale
Modell der Wirklichkeit wird im Innersten durch ein dem subjektiven Erleben
selbst unzugängliches Prinzip zusammengehalten, das einen prägnanten
Holismus erzeugt. Diese globale phänomenale Kohärenz ist stärker
als eine Einheit durch bloße numerische Identität.
Die Ganzheit der phänomenalen Welt und des phänomenalen Selbst
sind subjektiv unhintergehbar, weil sie nicht durch kognitive Operationen
oder einen volitionalen Akt aufgehoben werden können. Auf niedrigeren
Ebenen, z.B. auf der Ebene der visuellen Objektkonstitution, können
dagegen durch Aufmerksamkeitslenkung phänomenale Ganzheiten aktiv
erzeugt und wieder aufgelöst werden: Auf den verschiedensten Ebenen
des bewussten Realitätsmodells können Figuren aus einem Hintergrund
herausgelöst und dann als separate Erlebniseinheiten wahrgenommen
oder vorgestellt werden. Holismus ist deshalb eine phänomenale Eigenschaft,
die sich auf vielen Analyseebenen wiederfindet und auch Gegenständen,
Handlungen, Szenen oder multimodalen Situationen zugeschrieben werden
kann. Weil sich das phänomenale Modell der Wirklichkeit aus einer
Vielzahl sich ständig ändernder Teil-Ganzes-Beziehungen aufbaut,
kann man hier von einem konvolvierten Holismus sprechen.
3.1.6. Dynamizität
Phänomenale Zustände tragen nur selten statische oder invariante
Formen von mentalem Gehalt und sie sind auch nicht Ergebnisse eines passiven
Abbildungsvorgangs. Das auch körperlich handelnde Subjekt als kognitiver,
attentionaler und volitionaler Agent spielt eine wesentliche Rolle bei
ihrer Konstitution. Auf der subpersonalen Beschreibungsebene zeigt sich,
dass neuronale Repräsentationen einer komplexen nicht-linearen Dynamik
unterliegen. Unter evolutionstheoretischen Gesichtspunkten ist zudem die
Annahme plausibel, dass eine der Hauptfunktionen des Bewusstseins darin
bestanden hat, die Flexibilität des Verhaltensrepertoires auch dadurch
zu erhöhen, dass die zeitliche Struktur des kausalen Interaktionsbereichs
immer genauer intern dargestellt werden konnte. Die Umwelt biologischer
Systeme ist eine hochgradig dynamische Umwelt, in der es häufig zu
plötzlichen und unvorhersehbaren Veränderungen kommt. Phänomenale
Zustände spiegeln diesen Dynamismus in ihren relationalen Eigenschaften
und ihrer temporalen Feinstruktur wider.
3.1.7. Perspektivität
Das dominante Strukturmerkmal des phänomenalen Raums ist die Gebundenheit
an eine phänomenale Erste-Person-Perspektive. Die erlebte Perspektivität
des eigenen Bewusstseins entsteht dadurch, dass dieser Raum zentriert
wird durch ein phänomenales Selbst: Er besitzt einen Mittelpunkt
und dieser Mittelpunkt bin ich selbst. Es scheint eine primitive und präreflexive
Form des Selbstbewusstseins zu geben, die allen höherstufigen und
begrifflich-kognitiv vermittelten Formen zugrunde liegt. Sie erzeugt erstmals
eine bewusst erlebte, aber präattentiv konstituierte Ich-Welt-Grenze
und damit eine genuine Innenwelt. Phänomenales Selbstbewusstsein
ist vielleicht die wichtigste höherstufige Form von phänomenalem
Gehalt, weil mit ihr die Erste-Person-Perspektive und damit die epistemische
Asymmetrie überhaupt erst entstehen.
3.2. Physische Korrelate des bewussten
Erlebens
Wesentliche Determinanten für die Renaissance der empirischen Bewusstseinsforschung
am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts waren erstens große Fortschritte
in den Neurowissenschaften, zum Teil bedingt durch die Verfügbarkeit
neuer experimenteller Techniken (z.B. bildgebende Verfahren), zweitens
die Entstehung neuer Disziplinen (Kognitionswissenschaft, Künstliche-Intelligenz-Forschung,
Robotik, Neuroinformatik), die auf abstrakteren Beschreibungsebenen operieren
und alle aus der Anwendung des Informationsverarbeitungsansatzes auf den
traditionellen Problembestand resultierten. Das diese Bemühungen
auf sehr fruchtbare Weise mit der Philosophie des Geistes verbindende
begriffliche Element war dabei der in allen Disziplinen weitverbreitete
Repräsentationalismus. Den empirischen Forschungsprojekten der Neurowissenschaften
entsprach auf philosophischer Seite am ehesten der eliminative Materialismus
, denen der Kognitionswissenschaften der Funktionalisms und der Mikrofunktionalismus.
Dementsprechend bilden in der Gegenwart zwei große Klassen von objektiven
Zuschreibungskriterien für Bewusstsein den Gegenstand intensiver
interdisziplinärer Debatten: Neuronale oder funktionale Eigenschaften.
Insbesondere die physischen Korrelate des subjektiven Erlebens werden
mit großer Intensität empirisch erforscht. Dabei zeichnen sich
eine Reihe hypothetischer Modelle ab.
(1) Bewusstsein als Resultat dynamischer Integrationsprozesse. Neue Entdeckungen
über die Rolle von Synchronisationsphänomenen beim Aufbau perzeptueller
Objekte legen eine Lösung für das Bindungsproblem nahe. Das
Bindungsproblem besteht darin, dass das menschliche Gehirn die lokalen
Merkmale eines wahrgenommenen Objekts durch Aktivierungszustände
in Merkmalsräumen darstellt, die auf der Ebene ihrer physikalischen
Realisierung oft weit verteilt sind. Einfache Nachbarschaftswechselwirkungen
können dem System deshalb nicht dabei helfen, die bereits intern
präsentierten Eigenschaften wieder zu einer Ganzheit zusammenzufügen.
Die sogenannte “Korrelationstheorie der Hirnfunktion” geht
davon aus, dass diese Leistung vom Gehirn durch einen Mechanismus der
temporalen Kodierung erbracht wird. Eine Reihe experimenteller Befunde
legt nahe, dass eine Synchronisation neuronaler Antworten im Gamma-Band
eine der zentralen notwendigen Bedingungen für das Zustandekommen
bewusster Erlebnisse ist. Die Frage ist, ob ein ähnliches Prinzip
auch auf höherstufigen Repräsentationsebenen wirksam sein könnte.
(2) Stabilität phänomenaler Repräsentationen. Über
die ursprüngliche Integration hinaus müssen kohärente repräsentationale
Zustände für einen längeren Zeitraum hinweg aufrechterhalten
werden, damit sie eine funktionale Rolle für das System spielen können.
Ein Mechanismus zur Aufrechterhaltung desambiguierter, zeitlich stabiler
Zustände könnten rekurrente Schaltkreise sein.
(3) Explizitheit phänomenaler Objektrepräsentationen. Eine Reihe
empirischer Befunde scheinen darauf hinzudeuten, dass phänomenale
Repräsentationen erst solche sind, in denen wieder eineindeutige
Beziehungen zu einzelnen Objektmerkmalen erkennbar sind. Um eine solche
Explizitheit zu erzeugen, muss es einen spezifischen Zellverband geben,
der diese Objektmerkmale direkt kodiert. Allgemein wird häufig davon
ausgegangen, dass phänomenale Repräsentationen eine besonders
hohe Qualität und inhaltliche Kohärenz mit anderen bereits aktiven
phänomenalen Zuständen besitzen.
(4) Schließlich gibt es eine Reihe von Einzelhypothesen, die spezifische
Aussagen über das anatomische Substrat der fraglichen Funktionen
machen. Kandidaten für die neuronale Implementation der gesuchten
Funktionen sind zum Beispiel der NMDA-Rezeptor-Komplex , rhythmische 40-Herz-Aktivität
oder rekurrente Schaltkreise in thalamokortikalen Systemen , der intralaminare
Nucleus oder der Nucleus reticularis . Weil solche Vorschläge eine
hohe Domänenspezifität aufweisen, sind sie sehr weit von dem
genuin philosophischen Projekt entfernt, dass traditionell darin besteht,
eine “universelle Psychologie” zu entwickeln, die uns eine
begrifflich überzeugende Auskunft darüber gibt, was Bewusstsein
bei allen (z.B. auch nicht-biologischen) Wesen mit subjektiven Erlebnissen
eben gerade zu Bewusstsein macht. Dies hat zu der Suche nach funktionalen
Eigenschaften geführt, die oberhalb physischer Beschreibungsebenen
als objektive Zuschreibungskriterien fungieren könnten.
(5) Auf der Ebene der Kognitionswissenschaft existieren eine Reihe abstrakterer
Modelle, die zum Beispiel besagen, dass die Inhalte phänomenalen
Bewusstseins Datenstrukturen im Puffer des Kurzzeitgedächtnisses,
Prozesse bei der Selektion mentaler Schemata und Zielvariablen oder Aktivitäten
eines Überwachungssystems sind. Das bekannteste Modell ist die Global
Workspace Theory . Sie besagt, dass Bewusstsein ein globales Integrations-
und Übertragungssystem ist, welches in ein umfangreiches Ensemble
von Prozessoren und Outputmodulen eingebettet ist und die Allokation von
Verarbeitungsressourcen im zentralen Nervensystem kontrolliert. Die Inhalte
des subjektiven Erlebens sind dann Inhalte eines globalen Arbeitsspeichers.
3.3. Theoretische Modelle innerhalb
der Gegenwartsphilosophie
Während das klassische Motiv vom Bewusstsein als eines integrativen
Phänomens hauptsächlich in der empirischen Theoriebildung in
neuen Varianten wieder auftaucht, ist die im lateinischen Vorläuferbegriff
”conscientia” angelegte semantische Figur eines höherstufigen
Wissens um innere Zustände gegenwärtig vor allem in der Philosophie
des Geistes wieder zu großer Aktualität gelangt. Mentale Prozesse
werden dabei vorübergehend zu Gegenständen einer höherstufigen
epistemischen Beziehung, die ihnen episodisch die Eigenschaft der Bewusstheit
verleiht. Wenn Relata dieser Beziehung atomistisch konzipiert werden,
entstehen Regressprobleme und die Schwierigkeiten des Epiphänomenalismus:
Wie sollen sich die kausalen Eigenschaften eines intentionalen Zustandes
nur dadurch ändern, dass er von einem intentionalen Zustand zweiter
Ordnung repräsentiert wird?
Am Ende des 20. Jahrhunderts sind viele Theorien des Bewusstseins repräsentationalistische
Theorien, das heißt sie operieren unter einer Annahme, die William
Lycan die ”Hegemonie der Repräsentation” genannt hat,
einer schwachen Variante von Franz Brentanos Intentionalismus: Die explanatorische
Basis für alle mentalen Eigenschaften wird durch eine bestimmte,
erschöpfende Menge von funktionalen und repräsentationalen Eigenschaften
des jeweiligen Systems gebildet. Weil das empirische Material deutlich
zeigt, dass auch komplexe mentale Repräsentationsprozesse unbewusst
ablaufen können , wird phänomenales Bewusstsein häufig
als metamentale Repräsentation analysiert.
3.3.1. Bewusstsein als innere Wahrnehmung
Die theoriegeschichtliche Linie der Konzeption vom introspektiven Bewusstsein
als einer wahrnehmungsartigen Form der inneren Metarepräsentation
zieht sich von Aristoteles über Locke, Kant und Brentano (2.) zu
Gegenwartsautoren wie David Armstrong , Paul Churchland und Lycan . Insbesondere
introspektives Bewusstsein wird dabei als perzeptives Erfassen mentaler
Zustände erster Ordnung analysiert. Schwierigkeiten sind hier die
Tatsache, dass es kein konkretes Sinnesorgan für diese Form der Wahrnehmung
gibt, und dementsprechend auch keine Modalität, die einen eigenständigen
Beitrag zum phänomenalen Gehalt der fraglichen Zustände liefern
könnte. Wenn für die Zustände erster Ordnung eine Differenz
zwischen Form und Gehalt angenommen wird, dann kann ein perzeptiver Zugriff
immer nur konkrete Eigenschaften solcher Zustände erfassen und dem
subjektiven Erleben verfügbar machen, aber nicht abstrakte Eigenschaften
wie ihren intentionalen Gehalt. Der häufig anzutreffende ”Fehlschluss
der repräsentationalen Kluft” verwechselt dementsprechend Eigenschaften
des ”repräsentationalen Vehikels” (des Mittels der Darstellung)
mit denen seines Gehalts (des erststufigen Inhalts der Darstellung).
3.3.2. Bewusstsein als Kognition
höherer Ordnung
Der wichtigste Vertreter der Theorie höherstufiger Gedanken (Higher-order
thoughts) ist David Rosenthal. Die Kernthese besagt, dass ein mentaler
Zustand genau dann bewusst wird, wenn er zum Inhalt eines assertorischen
und seinerseits unbewussten Gedankens wird, des Gedankens, dass ich mich
jetzt in diesem Zustand befinde. Die Ebene der phänomenalen Repräsentation
stellt dementsprechend eine mittlere Ebene in der repräsentationalen
Architektur des Mentalen dar, ein Gedanke, der auf der Ebene der Kognitionswissenschaft
von Jackendoff vertreten wurde. Eine weitere Konsequenz dieser Theorie
ist, dass Tiere, Säuglinge und nicht-kognitive Systeme im allgemeinen
kein phänomenales Bewusstsein besitzen können. Verwandte Überlegungen
finden sich bei Dennett und vor allem bei Ned Block, der zwischen phänomenalem
Bewusstsein im Sinne einer Individuation von Zuständen aus der Erste-Person-Perspektive
und Zugriffsbewusstsein (access consciousness) im Sinne einer funktionalistischen
Analyse mit der kausalen Rolle als primärem Individuationsmerkmal
unterscheidet. Zugriffsbewusste Zustände stellen Information für
rationales Schließen und Sprechen sowie für die Handlungskontrolle
zur Verfügung.
3.3.3. Ontologische Optionen
Weil die neuropsychologische Forschung des 20. Jahrhunderts zentrale Prämissen
des cartesianischen Bewusstseinsbegriffs wie Unteilbarkeit, epistemische
Selbsttransparenz und Infallibilität der Introspektion obsolet werden
ließ, gibt es heute kaum noch Vertreter eines philosophischen Substanzdualismus.
Eine Vielzahl von empirischen Daten legt nahe, dass subjektives Erleben
in einem sehr starken Sinne ”von unten” determiniert ist und
engt so den Spielraum für ontologische Spekulationen stark ein. Bestimmte
Versionen des Eigenschaftsdualismus gehen jedoch davon aus, dass phänomenale
Eigenschaften aus prinzipiellen Gründen nicht auf funktionale oder
physikalische Eigenschaften reduziert werden können, weil sie gegenüber
diesen höchstens nomologisch, nicht aber logisch supervenient sind.
Das bedeutet, dass es für jedes bewusste, funktional isomorphe System
immer einen ”unbewussten Doppelgänger” geben kann. Neben
modallogischen und generell skeptischen Argumenten finden sich jedoch
auch einflussreiche erkenntnistheoretische Argumente, die eine Nicht-Reduzierbarkeit
von Qualia nahelegen, indem sie das Problem der epistemischen Asymmetrie
von Selbst- und Fremdzuschreibungen phänomenaler Zustände analysieren.
Obwohl die meisten Autoren unter der allgemeinen naturalistischen Hintergrundannahme
operieren, dass phänomenales Bewusstsein ein Phänomen mit einer
vollständig natürlichen, innerweltlichen Genese ist, bezüglich
dessen mit naturwissenschaftlichen Methoden durchaus relevante Erkenntnisfortschritte
zu erzielen sind, haben solche anti-reduktionistischen Argumente zur Suche
nach nicht-reduktiven Formen des Physikalismus wie der Supervenienz-Theorie
geführt.
Klassisch reduktionistische Ansätze bilden dagegen besonders in der
angelsächsischen Philosophie bereits seit den ersten Anfängen
der Identitätstheorie den konstanten Hintergrund der Diskussion.
Sie behaupten entweder im Sinne einer token-identity-theory oder einer
type-identity-theory partikulare oder generelle Identitäten zwischen
phänomenalen und physikalischen Zuständen oder analysieren Qualia
und phänomenales Bewusstsein im Sinne einer Eliminationsvariante
als ”altmodische theoretische Entitäten” innerhalb einer
begrifflich inkonsistenten Alltagspsychologie und prognostizieren die
Auflösung phänomenologischer Terminologien sowie deren Substitution
durch neurowissenschaftliche Begriffe mit höherem Auflösungsvermögen
und größerem deskriptiven Potential. Obwohl allgemein anerkannt
ist, dass der qualitative Gehalt phänomenaler Zustände ein ungelöstes
Kernproblem für funktionalistische Lösungen des Leib-Seele-Problems
ist, haben bereits fachliche Diskussionen über die Möglichkeit
von künstlichem Bewusstsein begonnen.
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5. Anmerkungen und bibliographische
Kurznachweise
Eine umfassende Bibliographie der philosophischen Diskussion nach 1970
findet sich in Metzinger 1995:
T. Metzinger & D. Chalmers: Das Problem des Bewusstseins in der Philosophie
des Geistes, der Kognitionswissenschaft und der Hirnforschung von 1970
- 1995
Verweise auf aktualisierte Versionen dieser Bibliographie, elektronische
Texte und Forschungsressourcen finden sich auf der Homepage der Association
for the Scientific Study of Consciousness (http://www.assc.caltech.edu/).
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