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Zusammenfassung:
Während der sechziger Jahre wurde die psycholytische Therapie (Psycholyse)
an 18 europäischen Behandlungszentren bis zur klinischen Anwendungsreife
entwickelt. In den skandinavischen Ländern wurde die Methode von
Arbeitsgruppen in Dänemark, Norwegen und Schweden an chronisch neurotisch
Kranken klinisch erprobt und weiterentwickelt. Im Hinblick auf eine Erhöhung
der Sicherheit und Effektivität des Verfahrens standen dabei im Vordergrund:
1. die Präzisierung des Indikationsspektrums; 2. die Optimierung
der psychotherapeutischen Begleitbehandlung; 3. Substanz- und Dosierungsfragen;
4. Fragen des klinischen Behandlungsrahmens und der notwendigen Nachbetreuung.
Über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren wurden Erfahrungen bei
der Behandlung von über 550 schwerkranken neurotischen Patienten
gesammelt. Obwohl die Behandlungsergebnisse nur damaligen Ansprüchen
gemäss evaluiert wurden und somit heutigen Standards keinesfalls
Genüge tun können, konnten doch bezüglich der obengenannten
Fragestellungen wichtige Fortschritte erzielt werden. Besondere Erwähnung
verdient, dass sämtliche Autoren dem Psilocybin bzw. seinem kürzerwirkenden
Derivat CZ 74 - wegen besserer klinischer Steuerbarkeit aufgrund kürzerer
Wirkungsdauer und geringeren somatischen Nebenwirkungen - Vorrang vor
dem LSD einräumen.
Gliederung
1. Einleitung
2. Die Psycholyse in den skandinavischen Ländern: Dänemark -
Norwegen - Schweden
3. Diskussion
4. English Summary
5. Literatur
1. Einleitung
Die psycholytische Therapie macht sich die Eigenschaft halluzinogener
Substanzen zunutze, einen milden Erregungszustand im ZNS zu erzeugen,
der mit einer „Steigerung der endogenen Reizproduktion“ (Leuner
1962) einhergeht und zu intensiven traumartigen Erlebnissen bei weitgehend
klarem Bewusstsein führt. Als psychotherapiefördernde Wirkkomponente
von LSD und verwandten Substanzen gilt in erster Linie die Aktivierung
unbewussten Konfliktmaterials bzw. verdrängter traumatischer Erinnerungen,
die in einem traumartigen Wachbewusstseinszustand detailliert wiedererlebt
werden können, was sowohl deren psychotherapeutisches Durcharbeiten
als auch kathartische Abreaktionen begünstigt. Zudem können
viele dieser Erlebnisse wie normales Traumgeschehen im tiefenpsychologischen
Prozess interpretierend durchgearbeitet werden. Ein besonderer Vorteil
der Methode liegt darin, dass es zu einer Auflockerung und Überwindung
neurotisch festgefahrener Abwehrstrukturen selbst bei sonst therapieresistenten
Patienten kommen kann (vgl. Arendsen Hein 1963). Wichtiger Bestandteil
des psycholytischen Verfahrens ist eine - im Unterschied zum psychedelischen
Verfahren (vgl. Blewett & Chwelos & Smith & Hoffer 1959; Sherwood
& Stolaroff & Harman 1962) - (verhältnismäßig)
geringe Dosierung der Substanzen, die vornehmlich psychodynamisch-biographisches
Erlebnismaterial zutage fördert sowie die psychotherapeutische Aufarbeitung
des unter Substanzwirkung Erlebten in einem längerwährenden
Prozess tiefenpsychologischer Therapie. Theoretisch und klinisch etabliert
wurde die Methode während der fünfziger und sechziger Jahre
in erster Linie durch die Arbeiten europäischer Forscher wie Sandison
(1954ff.), Leuner (1959ff.), Arendsen Hein (1961ff.), Ling und Buckman
(1963), Hausner (1963ff.) und Grof (1967, 1978, 1983).
Während der sechziger Jahre wurde die psycholytische Therapie in
Europa an 18 Behandlungszentren regelmäßig durchgeführt
(vgl. Leuner 1981: 26). Einen repräsentativen Überblick über
die Forschung in den sechziger Jahren vermittelt der von Abramson (1967)
edierte Bericht über eine Konferenz „The Use of LSD in Psychotherapy
and Alcoholism“.
Gegen Ende der sechziger Jahre kam es aufgrund gesetzlicher Restriktionen
wegen des massenhaften unkontrollierten Konsums halluzinogener Substanzen
durch Laien zu einer starken Einschränkung der Forschungs- und Therapiemöglichkeiten
mit Halluzinogenen. Nach den wenigen bis in Mitte der achtziger Jahre
noch druchgeführten Forschungen zur psycholytischen bzw. psychedelischen
Therapie (vgl. Leuner 1987; Yensen & Dryer 1995) wurden in jüngster
Zeit wieder Genehmigungen zur Durchführung psycholytischer Therapie
erteilt, um das therapeutisch nutzbare Potential der Halluzinogene erneut
zu sondieren (vgl. Benz 1989; Yensen & Dryer 1995; Strassman 1995,
Gasser 1995).
Die vorliegende Arbeit stellt als Beitrag zur frühen Geschichte der
medizinischen Verwendung von Psycholytika die in den 60er Jahren erschienenen
- bislang in der Forschung wenig rezipierten - Arbeiten aus den skandinavischen
Ländern im Überblick vor. Die Anordnung des Stoffes erfolgt
dabei nach Ländern getrennt in chronologischer Folge. Die skandinavischen
Forschungsarbeiten sind insofern von Interesse, als sie verdeutlichen,
wie sich der Gang der Forschung in den ersten Jahren der klinischen Erprobung
und Etablierung der Methode (1960-68) vollzog. Zudem wurden von einzelnen
Forschern originelle Versuche durchgeführt, deren Kenntnis von Interesse
sein dürfte.
2. Die Psycholyse in den skandinavischen Ländern
Dänemark
In Dänemark unternimmt der Psychiater Geert-Jörgensen
(1961) an der Psychiatrischen Klinik der Kopenhagener Reichsuniversität
1959 Experimente mit LSD und setzt sich in einer Publikation mit den bis
dahin international veröffentlichten Resultaten der Modellpsychosenforschung
sowie dem psychotherapeutischen Anwendung auseinander. Überdies fließen
schon Ergebnisse eigener Experimente ein.
In Übereinstimmung mit anderen Autoren definiert Geert-Jörgensen
den durch LSD erzeugten Zustand als eine exogen-psychotische Reaktion
i.S. Bonhoeffers. Einen markanten Unterschied mache allerdings die Häufigkeitsfolge
der betroffenen Sinnesgebiete aus. Während bei exogen-psychotischen
Zustandsbildern die akustischen Halluzinationen im Vordergrund ständen,
dominierten unter LSD-Wirkung die Erscheinungen auf optischem Gebiet.
Wichtig ist ihm auch die Unterscheidung von Halluzinationen und Pseudohalluzinationen,
wobei letztere für den Halluzinogenrausch typisch seien und im Gegensatz
zu den echten Halluzinationen vom Betroffenen noch als solche mit kritischer
Distanz betrachtet werden könnten. Im weiteren werden von ihm Derealisation
und Depersonalisation als typische LSD-Wirkungen vorgestellt. Charakteristisch
für die LSD-erzeugten Modellpsychosen sei es, dass sich Aussehen
und Bedeutung der Außenwelt in Verbindung mit innerem Erleben ständig
wandeln könnten. Trotz einiger Ähnlichkeiten mit den klassischen
Psychosen wird auch von Geert-Jörgensen klargestellt, dass die halluzinogen-induzierten
Modellpsychosen phänomenologisch weder schizophrenen noch manisch-depressiven
Zustandsbildern wirklich gleichkämen, sondern aufgrund des Vorwiegens
optischer Erscheinungen und des erhalten bleibenden „reflektierenden
Ich-Restes“ (Leuner 1962) eindeutig von diesen zu unterscheidbar
seien.
In bezug auf die therapeutische Anwendbarkeit wird von ihm zunächst
die Eigenschaft des LSD angeführt, tiefe Regressionen in frühere
entwicklungsmässige Zeiten auszulösen und zum Wiedererleben
verdrängten Materials zu führen, was sich psychotherapeutisch
ausnutzen ließe. Er weist ausdrücklich darauf hin, dass zwar
ein Teil der therapeutischen Wirkung durchaus der chemischen Wirkung des
LSD zu danken sei, aber die psychologischen Reaktionen stark inter- und
intraindividuell variieren und deren systematische psychotherapeutische
Bearbeitung von erstrangiger Bedeutung für den Therapieerfolg sei.
Seinen Erfahrungen nach biete sich dadurch dem Patienten eine bisher ungeahnte
Möglichkeit der Einsicht in eigene seelische Mechanismen. Zudem könnten
im Rahmen der regressiven Erlebnisepisoden bislang verdrängte traumatische
Erlebnisse mit quasi kindlicher Abwehrstruktur noch einmal durchlebt werden.
Das Wiedererleben selbst könne unter LSD-Einfluß von solcher
Prägnanz und Eindrücklichkeit sein, dass die mit den Traumata
verbundenen emotionalen Spannungen oftmals kathartisch abreagiert und
darüber auch abgespaltene Persönlichkeitsteile reintegriert
werden könnten. Entscheidend sei hierbei die schon von Freud betonte
emotional erfahrene Einsicht im Gegensatz zur wirkungslosen allein intellektuell
generierten Einsichten in die Problemzusammenhänge eigenen Erlebens
und Verhaltens.
Das Studium der bis 1961 vorliegenden Literatur wie auch seine eigenen
Erfahrungen lassen es Geert-Jörgensen wahrscheinlich erscheinen,
dass die Verbindung von Psychopharmakologie und Psychotherapie im Rahmen
von psycholytischen LSD-Behandlungen den Abstand von somatischer und psychodynamischer
Einstellung in der Psychiatrie verringern helfen könne.
Im gleichen Jahr wie der Artikel von Geert-Jörgensen erscheint auch
eine Arbeit seiner Mitarbeiter (Andersen et al. 1961).Diese geben eine
vorläufige Übersicht über die Erfahrungen mit psycholytischer
Therapie in England und Deutschland wie auch über erste eigene Erfahrungen.
Die zuerst von Busch und Johnson (1950) und Sandison (1954) beschriebenen
psychotherapeutisch nutzbaren Wirkungsaspekte des LSD fassen sie wie folgt
zusammen: Ungehemmtheit des Redeflusses, Vereinfachung und (partielle)
Überwindung psychischer Abwehrmuster, Evokation verdrängten
Materials unter emotionalen Mitreaktionen i.S. einer Katharsis. Es könne
dabei sowohl zur Akzentuierung von neurotischer Symptomatik als auch zu
physiologischen Begleitreaktionen wie Zittern, Schwitzen, Herzklopfen
usw. kommen. Das Auftreten intensiver Erlebnispassagen wird von den Autoren
als in wellenförmiger Phasen sich entwickelnd beschrieben, wobei
die Phasen größter Erlebnisintensität im Mittel ca. 5-10
Minuten andauerten. Als besonders vorteilhaft wird von ihnen angesehen,
dass die Patienten durch das klar bleibende Bewusstsein unter LSD-Wirkung
- im Gegensatz etwa zu den bei der Narkoanalyse (Horsley 1943; Fervers
1951) erzeugten Zuständen - ihre Erlebnisse detailliert erinnern
und beschreiben könnten.
Auch von Andersen et al. (1961: 1450) wird die Möglichkeit eines
realistisch-eindrücklichen Wiedererlebens verdrängter Erlebnisse
als großer Vorteil der Methode betont. Die regressiven Erlebnisse
seien oft sogar begleitet von einer Umformung des Körperbewusstseins
auf die Stufe des kindlichen Lebensalters in dem das traumatischer Erlebnis
erfahren wurde.
Wesentliches strukturelles Charakteristikum des Erlebens unter LSD ist
nach Andersen et al. eine - von den Patienten stets berichtete –
„Dissoziation der Persönlichkeit“. So bleibe ein Teil
der Persönlichkeit vom Rauscherleben relativ unbeeinflusst, während
andere Persönlichkeitsteile vom Erleben stark vereinnahmt würden.
Der weitgehend unbeeinflusste „reflektierende Ich-Rest“ vermöge
so die aus dem Unbewussten aufsteigenden psychischen Phänomene aus
der Betrachterrolle zu schauen, so dass hier gleichsam der bewusste den
unbewussten Anteil der Psyche betrachtet. Im Anschluss an ein von Andersen,
Kristensen und Knudsen 1960 in Göttingen besuchtes Symposion über
psycholytische Therapie (Barolin 1961) wird von ihnen ein psychoanalytisches
Therapiesetting empfohlen und die dringende Empfehlung für Selbsterfahrungssitzungen
des Therapeuten ausgesprochen.
Ihre Ansichten bezüglich der Indikationen schließen unmittelbar
an die Erfahrungen von Sandison (1954) und Martin (1957) an: Zwangs-,
Charakter- und Angstneurosen sowie Psychopathien und sexuelle Störungen
werden als besonders geeignet angesehen. Wichtig erscheint es ihnen schon
zu diesem Zeitpunkt, die Auswahl der Patienten nicht nur nach ihrem Störungsbild
zu treffen, sondern auch nach ihrer Persönlichkeitsstruktur und dem
Grad ihrer sozialen Integration. Als günstig gelten ihnen eine stabile
Ich-Struktur, geregelte soziale Lebensumstände und eine mindestens
normale intellektuelle Begabung, die ausreicht um eigene Reaktionsmuster
einzusehen. Als Kontraindikationen von somatischer Seite sehen sie zu
dieser Zeit neben Lebererkrankungen vor allem Herzprobleme und kardiovaskuläre
Störungen an, die bei den gelegentlich unter LSD-Behandlung auftretenden
Ängsten und Spannungen zu Komplikationen führen könnten.
Von psychischer Seite seien Ich-Schwache und latent psychotische Patienten
sichere Kontraindikationen.
Den konkreten Ablauf einer LSD-Behandlung in der von Geert-Jörgensen
geleiteten psychiatrischen Klinik der Reichsuniversität Kopenhagen
schildern Andersen et al. (1961: 1451) wie folgt. Nach einer leichten
Morgenmahlzeit erhält der Patient zwischen 50 und 400 mcg. LSD per
os. Vorher werde er unmissverständlich über den eigentümlichen
Charakter der auftretenden Erlebnisveränderungen aufgeklärt.
Sobald die Wirkung eintrete, werde der Patient aufgefordert sich in einem
ruhigen Einzelzimmer hinzulegen und die Bedeutung der auftretenden Erlebnisse
herauszufinden. Die Sitzungen dauerten etwa 5-6 Stunden und seien begleitet
von Vor- und Nachgesprächen.
Bis November 1961 wurden insgesamt 38 Patienten an der Kopenhagener Klinik
mit LSD behandelt. Die meisten von ihnen waren chronisch neurotisch Erkrankte
mit schlechter Prognose nach erfolglosen konventionellen Behandlungen.
„In solchen Fällen ist, auch im Nachhinein betrachtet, ein
Versuch mit dieser Methode auf jeden Fall gerechtfertigt, insbesondere
wenn man die Auswahlkriterien scharf einhält“ (Andersen et
al. 1961: 1451; Übers. T.P.). Eine längerwährende Verschlimmerung
psychischer Symptome unter der Behandlung haben die Autoren in keinem
Fall beobachtet und auch das Risiko der Auslösung psychotischer Komplikationen
sei bei richtiger Indikationsstellung - entgegen ihren ersten Befürchtungen
- verschwindend gering.
Zusammenfassend favorisieren die Autoren aufgrund der Literatur und eigener
Erfahrungen zwei Anwendungsbereiche der psycholytischen LSD-Behandlung:
1. zur Eröffnung neuer Therapiechancen bei chronisch neurotischen
Patienten mit bisher schlechter Prognose; 2. zur Abkürzung und Effektivierung
des konventionellen psychoanalytischen Verfahrens.
Im folgenden Jahr veröffentlichen drei Mitarbeiter der Arbeitsgruppe
um Geert-Jörgensen erste Erfahrungsberichte über die Fortsetzung
der LSD-Behandlungen. Mogens Hertz (1962: 103ff.) berichtet über
Beobachtungen und Eindrücke von einem Jahr Arbeit mit LSD, währenddessen
er ca. 200 LSD-Sitzungen mit 16 Patienten durchführte. Obwohl es
ihm noch nicht möglich scheint, zu einer einheitlichen Auffassung
der Wirkungsweise von LSD-Behandlungen vorzudringen, könnten doch
einige Reaktionen, die durchgehend vorkommen und wesentliche Bedeutung
zu haben scheinen, beschrieben werden. So träten etwa regelmäßig
Ängste und psychische Spannungen in wellenförmiger Folge auf.
Diese stünden meist in Beziehung zu äußeren Einflüssen
oder inneren Erlebnissen und würden gewöhnlich als Angst vor
dem Tod, vor einem Ohnmächtigwerden sowie in Form eines Leeregefühls
erfahren. In der Regel kulminiere die Angst bevor der Patient in einen
gegenteiligen Zustand von behaglicher Stimmung und positiven Gedanken
überwechsele. Dieses „Umkippen“ in den angstfreien Zustand
könne auch durch eine zusätzliche intravenöse Ritalininjektion
gefördert werden. Bei mittleren Dosen LSD (100-200 mcg) pendelten
die Patienten allerdings meist zwischen diesen Zuständen hin und
her. Regelmäßig fielen auch bizarre Mimik sowie reflexartige
Kopfbewegungen und -haltungen auf, die mit bestimmten Affekten verknüpft
zu sein schienen. Das Kontaktverhalten der Patienten wird von Hertz als
sehr unterschiedlich beschrieben: Es reiche von ungehemmtem Redefluss
bis zum Mutismus, der allerdings durch direkte Ansprache fast immer durchbrochen
werden könne.
Von besonderem Interesse erscheint dem Autor die große Häufigkeit
des Erlebens von Ereignissen aus dem ersten Lebensjahr die mit der gegenwärtigen
Symptomatik in Zusammenhang stünden.
In den belastenden Perioden der LSD-Wirkung würden bei motorischer
Erregung sowie Hilf- und Ratlosigkeit Abhängigkeitsgefühle gegenüber
dem Therapeuten verstärkt empfunden. Nach dem Abklingen der Belastung
begännen die Patienten meist affektgeladene Gespräche bzw. diskutierten
mit sich selbst. Von diesen Diskussionen gewann Hertz den Eindruck einer
positiven selbstkritischen Auseinandersetzung des Patienten, unter ausgeprägter
emotionaler Teilnahme und mit Betrachtungen die Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft in sinnträchtiger Weise miteinander zu verbinden schienen.
Bei den 16 von ihm behandelten Angst- und Charakterneurotikern berichtet
Hertz über Besserungen bei 9 Patienten. Hierbei ist allerdings zu
berücksichtigen, dass zu diesem Zeitpunkt nur therapieresistente
chronische Neurotiker zur LSD-Behandlung zugelassen wurden.
Auch Geert-Jörgensens Mitarbeiter Knud Knudsen (1962: 108ff.) berichtet
über ein Jahr Erfahrung mit stationären und ambulanten Patienten
unter LSD-Behandlung. Er behandelte von 1959-1962 insgesamt 30 Patienten,
von denen 17 1962 die Therapie abgeschlossen hatten. 12 dieser Patienten
konnten nach seinen Angaben bis zur Symptomlosigkeit gebessert werden.
Von dreien der bebesserten Patienten bringt Knudsen ausführliche
Kasuistiken, bei denen sich vor allem die Abfolge von anfänglicher
Ängstlichkeit, das Wiedererleben traumatischen Erinnerungsmaterials
sowie das Verschwinden neurotischer Symptome nach erfolgter psychotherapeutischer
Reintegration des aktivierten Materials zu gleichen scheinen. Die unbeeinflussten
Patienten seien zwei Zwangsneurotiker und drei Patienten mit Sexualneurosen.
Die verabreichten Dosen bewegten sich zwischen 70-400 mcg LSD. Nach ca.
5 Stunden wurde die Behandlung i.d.R. mit der Gabe von Neuroleptika bzw.
Sedativa abgebrochen und der Patient nach einer weiteren Stunde in Begleitung
eines Verwandten nach Hause entlassen. Wenn Patienten unter der Behandlung
oder kurz darauf depressiv reagierten, wurden sie vor Entlassung nochmal
einem klärenden Gespräch (Suizidrisiko?) unterzogen. Während
des Zeitraumes zwischen den Sitzungen waren Gespräche mit dem Therapeuten
über Verlauf und Inhalte der Sitzungen regulärer Bestandteil
der Behandlung. Trotz dieser intensiven Betreuung gibt der Autor an, dass
er die Patienten mit einer eher observierenden Einstellung behandelt habe
und keine Interpretationen von ihm ausgegangen seien, obgleich er sich
stets supportiv verhalten habe.
Kjaerbye Kristensen (1962: 111ff.) berichtet über Behandlungsexperimente
mit der kombinierten Gabe von LSD und Ritalin (Methylphenidat). Nach einigen
frühzeitigen Berichten über die Neurosentherapie mit LSD begann
man schnell diesen Stoff mit anderen Medikamenten zu kombinieren. Insbesondere
ZNS-aktivierende Stoffe wie Methamphetamin und Ritalin erwiesen sich als
erlebnisstimulierende Zusatzmedikation. Ritalin ist ein den Amphetaminen
entfernt verwandtes sympathomimetisches Pharmakon, das seit 1954 zur Unterstützung
psychotherapeutischer Behandlungen angewandt wurde (vgl. Ling & Buckman
1963). Seine psychischen Wirkungen wurden als kontakterleichternd und
hemmungsüberwindend bei guter Verbalisierungsfähigkeit beschrieben.
In Kombination mit LSD werde die Aufdeckung unbewussten und vorbewussten
Materials durch Ritalin zusätzlich gefördert. Zudem begünstige
es die Abreaktion und Integration verdrängter Affekte.
23 Patienten wurden von Kristensen im Laufe von 370 LSD-Sitzungen während
220 Sitzungen zusätzlich Ritalin i.v. verabreicht. Bei den Patienten
handelte es sich in der Hauptsache um schwer neurotisch Erkrankte, die
fast alle schon mehrere erfolglose Behandlungen durchlaufen hatten.
Als optimale LSD-Dosis für diese Kombinationsbehandlung wird von
ihr 150 mcg p.o. angegeben. Auf dem Höhepunkt der LSD-Wirkung (nach
ca. 1,5-2,5 Stunden) würden dann 30-50 mg Ritalin i.v. gegeben. Die
psychischen Wirkungen nach intravenöser Ritalinapplikation könnten
schon nach wenigen Minuten abrupt einsetzen und gingen mit einer starken
Affektaktivierung einher. Deshalb müsse der Therapeut solange beim
Patienten verweilen bis dieser sich nach der Wirkungsanflutung wieder
beruhigt habe. Über eine temporäre Intensivierung der LSD-Wirkung
mittels Ritalin werde vor allem der Abbau von Abwehrmechanismen gefördert
und die Patienten durchlebten oft in dramatischer Weise das Auftauchen
verleugneter und verdrängter Erlebnisse. Zum Teil schienen die Patienten
von ihren inneren Erlebnissen sogar regelrecht verschlungen zu werden.
Den eigentlichen Sinn dieser Kombinationsbehandlung sieht Kristensen in
der Möglichkeit auch bei langzeitig chronifizierten rigiden Abwehrstrukturen
eine Chance zu deren Lockerung und Überwindung zur Hand zu haben.
Risiken entstünden vor allem durch depressive Reaktionen und Panikzustände
bei der Überwältigung durch aggressive und libidinöse Erlebnisinhalte,
die - in Ausnahmefällen - bis zu temporären psychotischen Entgleisungen
des Erlebens führen könnten. Auch bezüglich der sympathomimetischen
Wirkungskomponente sei bei Bluthochdruck, Arteriosklerose und labilen
Herz- Kreislaufverhältnissen Vorsicht geboten. Zum Abschluss ihres
Artikels entwickelt die Autorin die Hypothese, dass LSD einen Prozess
sukzessive gesteigerter Anspannung verursache, welcher dann durch Ritalingabe
entladen werden könne.
In ihrer nächsten Arbeit berichtet Kristensen (1963a: 161ff.) zusammenfassend
über 100 Patienten die von Geert-Jörgensens Arbeitsgruppe mit
LSD (z.T. zusätzlich mit Ritalin) behandelt wurden. Bei mehr als
der Hälfte der Patienten war eine Charakterneurose diagnostiziert
worden. Weiterhin wurden 30 andere schwer neurotisch Erkrankte behandelt.
Gute Besserungen zeigten nach ihren Angaben insbesondere die Charakterneurosen.
Schlecht seien dagegen die Ergebnisse bei zwangsneurotischen Störungen
ausgefallen. Die in die Behandlung einbezogenen psychosomatischen Fälle
würden zwar mit starke somatische Reaktionen zeigen, blieben aber
sonst unbeeinflusst. Eine deutliche Warnung spricht sie bezüglich
affektlabiler Psychopathen aus, die sie nur unter stationären Bedingungen
behandelt wissen möchte.
Was die Dosierung betrifft, sei ihre Arbeitsgruppe mittlerweile dazu übergegangen
nicht mehr als 200 mcg. zu verabreichen, da höhere Dosen das Bewusstsein
des Patienten zu sehr beeinträchtigten und die Kommunikation bzw.
Verarbeitung des Erlebten erschwerten. Außerdem sei man zur subkutanen
und intravenösen Applikation des LSD übergegangen, da man so
Übelkeit und somatische Irritationen wie auch die Erwartungsspannungen
vor Wirkungseintritt wirksam verringern könne. Eine weitere Optimierung
der Behandlung dürfe man sich ihrer Erfahrung nach von der neuentdeckten
Substanz Psilocybin versprechen, die sich vor allem durch eine kürzere
Wirkungsdauer (3-6 Std.) und geringere somatische Nebenwirkungen auszeichne
(Kristensen 1963b).
Was Komplikationen angeht, berichtet Kristensen über insgesamt vier
Suizidversuche während der Tage nach den LSD-Sitzungen, wobei jedoch
berücksichtigt werden müsse, dass sämtliche der Betroffenen
schon vorher mehrfach Suizidversuche unternommen hätten. Z.T. wirke
hier auch die Erklärung der Ärzte traumatisch, dass die als
ultima ratio angesehene Behandlung für die Patienten doch nicht geeignet
sei. Auch ein vollendeter Suizid sei bei einem Patienten vorgekommen der
sich zunächst auch gegen große Dosen LSD resistent zeigte,
dann eines Tages aber einen Durchbruch mit kosmisch-mystischen Erfahrungen
erlebte und danach gespannt depressiv reagierte. Trotzdem wurde er routinemäßig
nach Hause entlassen und suizidierte sich dort. Seitdem würden die
LSD-Behandlungen in der Kopenhagener Reichsuniversität insofern strenger
kontrolliert als die ambulanten Patienten nun immer für 24 Stunden
nach LSD-Verabreichung stationär kontrolliert würden und vor
deren Entlassung ein ärztliches Kontrollgespräch zur Pflicht
gemacht worden sei.
Mogens Hertz (1962) stellte die Hypothese eines Lern- und Stressstillstandes
bei neurotischer Verhaltensfixierung auf. Diese basiert auf der Vorstellung,
dass beständige neurotische Abwehrmuster, die in Form bedingter Reflexe
gebahnt würden, eine flexible Einstellung der Person auf neuartige
innere wie äußere Bedingungen stark behindern könnten.
Da Lernen seinem Verständnis nach stets mit stressbegleiteten Umstellungen
einhergehe, sei der beim Neurotiker feststellbare Entwicklungsstillstand
mit einem Zustand stressfreien „Nicht-lernens“ verbunden.
Diese Hypothese wurde von ihm über zwei Jahre sowohl anhand der inneren
Erlebnisse der Patienten als auch durch biochemische Korrelationsstudien
überprüft. So konnte Hertz (1963: 170) den Nachweis führen,
dass die Serumkonzentration des (Stress-)Hormons Hydrokortisol mit stressbegleiteten
Lernvorgängen während der LSD-Behandlungen korreliert sind.
In diesem Zusammenhang führt er auch andere Studien an, die Wechselwirkungen
von Hormonen und ZNS-Aktivität unter Halluzinogwirkung untersuchten
(Alnaes & Skaug 1963a; 1963b).
In weiteren Studien zu dieser Hypothese (Hertz 1967; 1968: 201) zieht
er folgende Schlussfolgerungen:
1. Die LSD-Behandlung ruft unausweichlich eine Stressreaktion hervor,
die in ihrer Stärke je nach den auftauchenden Erlebnissen variiere.
2. Der psychologische Stress-Effekt steht in unmittelbarer Beziehung zum
Verlust des „Reality-Testing“ durch die veränderte Wahrnehmung.
3. Die LSD-Wirkung verursacht einen massiven Anstieg bzw. Abfall des Stresshormons
Hydrokortisol, abhängig von der Intensität der auftauchenden
Erlebnisse.
4. Durch den „Lern- und Stressanstoß“ LSD würden
somit Lernprozesse bzw. Verhaltensänderungen ausgelöst und unterstützt
die vorher über einen „Lernstillstand“ neurotisch fixiert
gewesen seien.
1964 publizieren Geert-Jörgensen et al. (1964) eine zusammenfassende
Darstellung von Erfahrungen und Ergebnissen mit der LSD-Behandlung von
chronisch neurotisch Kranken. Von den 157 bis dahin behandelten Personen
brachen 28 aus verschiedenen Gründen die Behandlung ab und konnten
deshalb nicht in die Nachuntersuchungen einbezogen werden. Die verbleibenden
129 Patienten, die die Behandlung vollständig durchliefen, wurden
in drei Follow-ups systematisch nachuntersucht. Bei den Untersuchungen
wurden die Patienten so auf die Untersucher verteilt, dass niemand die
von ihm selbst behandelten Patienten beurteilte (Geert-Jörgensen
hatte bis zu dieser Zeit noch keinen Patienten selbst behandelt). Neben
einer (unpublizierten) Fragebogenstudie wurde vor allem der klinische
Status der Patienten bewertet und dessen Eindrücke vom Einfluss der
Behandlung festgehalten.
Die Anzahl der verabreichten LSD-Behandlungen variierte zwischen 5 und
58 je nach Patient, die meisten erhielten zwischen 10 und 15 Behandlungen.
Die Dosierung lag im Mittel bei 200-400 mcg.; z.T. wurde additiv Ritalin
verabreicht.
An Komplikationen wurden bei ca. 2000 LSD-Sitzungen bis auf vereinzelte
depressive Nachschwankungen und Flashback-Reaktionen keine gravierenden
Nebenwirkungen beobachtet. Somatische Komplikationen, zusätzliche
Symptombildung oder psychotische Reaktionen wurden in keinem Fall beobachtet.
Allerdings kam es außerhalb der Sitzungen bei vier Patienten zu
Suizidversuchen (1964:376) und zu einem Homizid einer psychopathischen
Patientin an ihrem Freund (vgl. Knudsen 1964).
Von den 129 Patienten wurden 98 mit passiv-observierender Haltung von
einem Team aus Arzt und Krankenschwester ohne Anwendung systematischer
Psychotherapie behandelt. Die anderen 31 Patienten erhielten zusätzlich
jeweils eine gruppentherapeutische Sitzung direkt im Anschluss an jede
LSD-Behandlung. Diese Gruppensitzungen hätten seinen zwar durch die
Erschöpfung der Patienten beeinträchtigt worden, erwiesen sich
aber in gerade durch die nachklingende LSD-Wirkung für die psychotherapeutische
Nacharbeit besonders gut geeignet. Versuche mit Gruppentherapie unter
direktem LSD-Einfluss mussten allerdings aufgrund der ausgeprägten
Vereinnahmung der Patienten durch ihr inneres Erleben wieder aufgegeben
werden. Zuletzt übte man die Praxis einer Gruppentherapiesitzung
am Morgen nach jeder LSD-Sitzung (1964: 378).
Was die Resultate der Behandlungen angeht - bei der die Patienten von
vier Ärzten sowohl diagnostisch als auch prognostisch beurteilt wurden
- unterteilen die Autoren zunächst grob in zwei Gruppen: Die „Responder“
(=70) und die „Non-Responders“ (=59), die auch sog. „Rückfälle“
einschließen. Die Autoren räumen bezüglich der eruierten
Ergebnisse unumwunden ein, dass die festgestellte Besserungsrate von knapp
über 50% kaum größer erscheint als die Rate der Spontanremissionen
unbehandelter Neurosen. Doch betonen sie, dass ihnen die Patienten genau
bekannt gewesen seien und fast alle seit Jahren bzw. Jahrzehnten unter
schweren neurotischen Störungen gelitten hätten, für die
bisher keine geeignete Behandlungsmethode zur Verfügung stand. Zudem
hätten sie sämtlich schon mehrere konventionelle Behandlungen
erfolglos durchlaufen. In unmissverständlicher Weise heben die Autoren
ihre Überzeugung von der Wirksamkeit der LSD-Therapie hervor. Insbesondere
könnten psychologische „Nachreifungen“ (ein oft von ihren
Patienten benutzter Terminus) bestimmter Persönlichkeitsanteile durch
solche Behandlungen gefördert werden und zur Fortentwicklung der
Persönlichkeit einen produktiven Beitrag leisten.
Besonders gut schienen nach den Ergebnissen dieser Studie Charakter- und
Sexualneurosen auf die Behandlung angesprochen zu haben. Allerdings müssten
diese Patienten, wie alle anderen auch, sehr genau auf die Eignung ihrer
Persönlichkeitsstruktur, ihrer Stresstoleranz und ihrer Intelligenz
für die Behandlung hin untersucht werden. Bei der Hälfte der
Charakterneurosen (=32) konnte nach den Angaben der Autoren deutliche
Besserungen erzielt werden. Die Angstneurotiker und depressiven Neurosen
schnitten ähnlich gut ab. Auch die psychogenen Sexualstörungen
stellten ihrer Ansicht nach ein vielversprechendes Behandlungsgut dar,
wobei einschränkend zu bemerken sei, dass die homosexuellen Patienten
fast ausnahmslos die Behandlung vorzeitig abbrachen. Bei den behandelten
Zwangsneurosen kam es nur vereinzelt zu signifikanten Besserungen, weshalb
diese eher als eine Kontraindikation anzusehen wären. Abschliessend
bemerkten die Autoren: “There is a general agreement that personally
we have learned much about the psychopathological mechanisms in our patients
since the introduction of the LSD-therapy and also that it has been worth-while
despite the disappointments included. Moreover we feel convinced that
quite a number of our patients hardly could have been helped in any other
way” (1964: 381).
Schon in der vorstehend referierten Publikation erwähnt der neurologisch
orientierte Psychiater Geert-Jörgensen (1968) den von ihm unternommenen
Versuch, eine Gruppe von Patienten ohne jegliche Psychotherapie ausschließlich
mit LSD-Verabreichungen zu behandeln, um den kurativen Wert chemischer
und neurophysiologischer Mechanismen zu erschließen. Er erklärte
diesen Patienten, dass die Behandlung rein mechanischer Natur sei und
sie nur selbst das auftauchende Erleben durchzuarbeiten hätten. Außer
einer über Bettklingel erreichbaren und nur rein supportiv tätigen
Krankenschwester waren die Patienten während der Sitzung völlig
auf sich allein gestellt. Insbesondere sollte jede Verbalisierung des
auftauchenden Materials vermieden werden, um eine kognitive geprägte
Verarbeitung des Materials zu unterbinden (1968: 196). Bei einem kurzen
Nachgespräch mit dem Arzt am nächsten Morgen sollte dieser vor
allem auf etwaige depressive Nachschwankungen (Suizidgefährdung?)
achten und dem Patienten nahelegen, das Erlebte unzensiert aufzuschreiben.
Obwohl es bei dieser Behandlungsweise für den Patienten sicherlich
schwieriger sei, ohne jede Unterstützung das auftauchende Material
durchzuarbeiten, konnten z.T. erstaunliche Ergebnisse berichtet werden
(Geert-Jörgensen et al. 1968; Brandrup & Vangaard 1977). Es sind
aus diesen Behandlungsexperimenten auch zwei beeindruckende Kasuistiken
bekannt geworden (Geert-Jörgensen 1964; Brandrup & Vangaard 1977).
Im ersten Fall wird über einen 26-jährigen Patienten mit Impotentia
coeundi primaria berichtet, der trotz einer harmonischen Ehebeziehung
von chronischer psychogener Impotenz geplagt wurde. Dieser Patient erhielt
insgesamt 8 LSD-Behandlungen nach dem oben beschriebenen Muster. Dieser
Patient berichtete in seinen Protokollen oft von Regressionen in Erlebnispassagen
aus Pubertät und frühen Kindertagen. Insbesondere seine Mutterbindung
erfuhr anscheinend intensive Bearbeitung, ihre Problematik wurde ihm im
Verlauf der LSD-Sitzungen zunehmend deutlicher beschreibbar und in neuer
Weise transparent. Obwohl der Patient die Behandlung als eher unangenehm
charakterisiert, betont er doch deren einsichtfördernden und befreienden
Charakter. Nach der 8. Behandlung hatte der Patient seine volle Potenz
gewonnen und diese blieb auch über einen Nachbeobachtungszeitraum
von mehr als vier Jahren erhalten (vgl. Geert-Jörgensen 1968). Über
die Art bzw. den Mechanismus dieses Heilungsvorganges wurden allerdings
keine Hypothesen entwickelt.
Ein weiterer Fall aus diesen psychotherapieabstinenten Behandlungsserien
wurde zwar schon 1961/62 behandelt, aber erst 1977 publiziert (Brandrup
und Vangaard 1977). Hierbei handelte es sich um einen schweren emotional
verarmten intellektualisierten zwangsneurotisch Gestörten mit eindeutig
psychischer Symptomgenese. Die Symptomatik war so ausgeprägt, dass
der Patient zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginns arbeitsunfähig war,
keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen konnte und mehr als den
halben Tag mit der Durchführung seiner Zwangsrituale (z.B. 200-250x
Händewaschen tgl.) beschäftigt war. Dieser wurde nun im Laufe
von 15 Monaten mit 57 wöchentlichen LSD-Sitzungen behandelt.
Die Erlebnisse während der LSD-Sitzungen offenbarten die grundlegenden
Entwicklungselemente dieser Persönlichkeit seit der frühen Kindheit,
insbesondere Erlebnisse im Zusammenhang mit der ersten Reinlichkeitserziehung.
Von besonderem Interesse scheint den Autoren die frappierende Übereinstimmung
der wiederkehrenden Affekte und Inhalte von Erlebnissen aus der frühen
Reinlichkeitserziehung mit dem aus der Freud`schen Psychoanalyse bekannten
Konzept der Bildung von Zwangssymptomen auf dem Hintergrund einer pathologischen
Prägung während der frühen Reinlichkeitserziehung. „It
is a fact of theoretical importance that his Symptoms disappeared simultaneously
with the emergence of childhood memories of toilet training, rage, hate,
protest, anxiety, helplessness in the face of motherly power, and feelings
of being forced to suppress emotions and impulses to assert himself”
(1977: 139). Nachdem nun diese und andere Erlebnisse vom Patienten sukzessive
wiedererlebt und durchgearbeitet wurden, verschwanden seine Symptome vollständig
und tauchten auch während des 15-jährigen Nachbeobachtungszeitraumes
nicht wieder auf. In ihrer Schlussbemerkung zu der Kasuistik weisen die
Autoren darauf hin, dass uns außer der LSD-Behandlung kein Mittel
für die Behandlung starker neurotischer Zwangssymptomatik bekannt
sei und von daher anzuregen sei, diese Behandlung durch entsprechend diagnostisch
und therapeutisch ausgebildete Psychiater bei ausgewählten Patienten
auch in Zukunft sinnvoll anzuwenden (1977: 140).
Obwohl bis dahin keine Follow-up Studie der nur mit LSD-Sitzungen behandelten
Patienten stattgefunden habe, schlussfolgert Geert-Jörgensen (1968:
198) aus seinen einzelfallbezogenen Erfahrungen: „In those patients
who where not given systematized psychotherapy, amazing treatment results
have been seen, particularly in the patients with severe sexual neuroses,
anxiety-, and charakterneuroses“.
Da der dänischen Arbeitsgruppe stetig klarer wurde, dass eine präzisere
Indikationsstellung sowie die genaue Berücksichtigung der Persönlichkeitsstruktur
sowohl die Behandlungsresultate verbesserte als auch die Komplikationen
stark verringerte, legte Vangaard (1965: 427ff.) - nachdem er Ende der
fünfziger Jahre in England bei Sandison schon 1961 erste Anhaltspunkte
für die praktische Durchführung der Behandlungen bekommen hatte
- bei seinen späteren Besuchen bei ihm im Powick-Hospital großen
Wert auf Indikationsstellung, Prognose und Ich-Struktur der Patienten
und deren Beziehungen zu den empirisch erzielten Behandlungsresultaten.
Er beobachtete während seiner 4 Besuche dort 24 Patienten über
einen Zeitraum von drei Jahren. Auch in Powick wurden vor allem schwere
chronifizierte Neurosen behandelt, fast alle ohne systematische Psychotherapie.
Trotzdem konnten knapp die Hälfte der beobachteten Patienten deutlich
gebessert entlassen werden. Bei einem Strukturvergleich der gebesserten
und ungebesserten Patientengruppen konnte er erstere Gruppe wie folgt
charakterisieren:
„1. They where well adjusted in both the social sense and in their
personal human relationships. ...
2. It was primarily they themselves who suffered from the inhibitions
and frustrations which were a consequence of their condition.
3. The symptomatology in each single case was circumscribed, homogenous
and stable.
4. none of them were addicted to drugs or alcohol.
5. None of them had a severely deviating personality, either as regards
character or temperament.
6. None of them were manifest perverts.
7. None of them were psychotic and there was nothing in the habitual personality
of these patients which might lead one to suspect potential psychosis
...
Consequently, in spite of disturbing symptoms the general personality
integration of all these patients was on a comparatively high level, or
in other words they possessed a fairly strong ego” (1965: 432f.).
Der letzte Satz verweist schon auf die zentrale Bedeutung der Ich-Stärke
als Angelpunkt für Erfolg und Misserfolg psycholytischer Behandlungen.
Insbesondere die Fähigkeit des Ichs einander widerstrebende Impulse
innerer und äußerer Art - die ja unter der abwehrmodifizierenden
LSD-Wirkung stark intensiviert sein können - integriert zu halten,
wird von Vangaard als wichtige Voraussetzung für den Heilerfolg angesehen.
Als das bedeutsamste Charakteristikum der nicht oder kaum gebesserten
Patienten macht Vangaard von daher vor allem unterschiedlich konfigurierte
Formen von Ich-Schwäche bzw. Ich-Deformierungen aus.
Mit Bezug auf zwei 1968 erschienene zusammenfassende Veröffentlichungen
der dänischen Arbeitsgruppe um Geert-Jörgensen (1968; Hertz
1968) können deren Arbeitsergebnisse wie folgt zusammengefasst werden.
Während der Jahre 1960-1968 wurden in der psychiatrischen Klinik
der Kopenhagener Reichsuniversität mehr als 400 Patienten mit insgesamt
ca. 5000 LSD-Sitzungen behandelt. Grundsätzlich wurden nur Patienten
zur LSD-Behandlung zugelassen, die an schweren neurotischen Störungen
litten und schon mehrere konventionelle Behandlungen erfolglos durchlaufen
hatten. Insbesondere bei Charakter- und Angstneurosen sowie Psychopathien
und Sexualneurosen konnten - bei sonst prognostisch aussichtslosen Patienten
- gute Erfolge erzielt werden. Außerdem konnte das Indikationsspektrum
im Laufe der Zeit genauer eingegrenzt werden, d.h. vor allem bestimmte
Zwangsneurosen wie auch hysterische, psychotische und präpsychotische
Konditionen als klare Kontraindikationen bestimmt werden. Zudem wurde
herausgearbeitet, welcher Wert einer Beurteilung der gesamtem Persönlichkeitsstruktur
für Therapieeignung und Heilungsaussichten zukommt. Ernstere somatische
Komplikationen wurden in keinem Fall festgestellt. Die Autoren beobachteten
aber häufiger depressive Nachschwankungen, die bei suizidgefährdeten
Patienten in Einzelfällen zu einschlägigen Folgen führten.
Diese hätten seit der Etablierung präziserer Indikationsstellungen
und strengerer Nachbeobachtung der Patienten jedoch vollständig vermieden
werden können.
Kritisch ist anzumerken, dass die Evaluierung der Behandlungsergebnisse
nur rudimentär geblieben ist und heutigen Ansprüchen in keiner
Weise Genüge tun kann. Diesbezüglich ist allerdings der damalige
Standard der Psychotherapieforschung zu berücksichtigen. Zudem ist
bei der Etablierung einer neuartigen experimentellen Behandlungsmethode,
die dazu noch so wesensverschiedene Gebiete wie Psychopharmakologie und
Psychotherapie zusammenbringt, mit speziellen Schwierigkeiten konfrontiert,
welche die Ergebnisevaluierung weiter komplizieren (vgl. Pletscher &
Ladewig 1994). Von daher entgegnete Geert-Jörgensen (1968: 196) auf
das Statement der American Psychiatric Association von 1967 bezüglich
der gemäß wissenschaftlichen Standards bislang nicht widerspruchsfrei
belegten Effizienz psycholytischer Behandlungen: „Based on our long
experience we cannot endorse this statement. We have seen so many cases
that have been cured by hallucinogenic treatment. We do not admit that
it is difficult to give scientific evidence of the curative value of a
certain psychotherapeutic treatment and that a clinical evaluation has
to suffice”.
Norwegen
In Norwegen wurden 1961 von Robak (1962: 1360ff.) erste
LSD-Versuche im Modums Bad Nervensanatorium der Stadt Lier unternommen.
Nachdem die Substanz dort zunächst unter klinischen Bedingungen an
gesunden Freiwilligen getestet wurde, ging man schnell zu ihrer explizit
psychotherapeutischen Anwendung über.
Robak referiert in seiner Arbeit zunächst die in der Literatur geschilderten
Wirkungen des LSD auf die Psyche, die er als Anregung der emotionalen
Aktivität, Tendenz zu Regressionen (in Haltung, Bewegung, Ausdruck
und emotionalen Entladungen in regrediert kindlicher Grundverfassung)
sowie einer Wiederbelebung verdrängten Materials zusammenfassend
beschreibt. Während fast alle seiner Versuchspersonen über abstrakte
Erlebnisse ästhetischer Art berichteten, könne eine ausgeprägte
Tendenz neurotischer Patienten beobachtet werden, Kindheitserlebnisse
in detailgetreuer Eindringlichkeit zu erinnern.
Die meisten der Patienten empfanden den Rausch laut Robak als eher unbehaglich,
obwohl auch als positiv empfundene Erlebnisse nicht selten seien. Wohler
fühlten sich die Patienten vor allem gegen Ende der Sitzungen, wenn
sie die Richtung des Gedanken- und Erlebnisflusses anscheinend freier
wählen könnten.
Als mögliche Gefahren der Behandlung mit LSD beschreibt Robak: a.
die Möglichkeit der Induktion einer depressiven Reaktion mit Suizidtendenzen;
b. die mögliche Auslösung von Impulshandlungen durch Andrängen
unbewussten Materials; c. die Gefahr der Auslösung einer latenten
Psychose und d. die Risiken bei ich-schwachen Patienten mit schweren Verdrängungen,
bei denen sich aus einer induzierten Furchtreaktion eine psychotische
Entgleisung entwickeln könne. Dies geschehe jedoch nicht als direkte
Folge der LSD-Wirkung, sondern vielmehr durch die Einwirkung begleitender
Psychotherapie, die in solchen Fällen entsprechend zurückzunehmen
sei.
LSD als psychotherapeutisches Hilfsmittel soll nach Robak in erster Linie
die Selbsteinsicht des Patienten fördern. Grundlage dafür sei
die Beschleunigung der Prozesse in denen Patienten verleugnetes und verdrängtes
Material mit großer Intensität und emotionalem Engagement im
inneren Erleben konfrontierten. In den Indikationsbereich der Methode
würden hauptsächlich chronifizierte Neurosen fallen, bei denen
die konventionellen Behandlungsverfahren fehlgeschlagen seien oder bei
deren spezifischer Symptomatik man mit den gewöhnlichen Methoden
nicht ansetzen könne. Angesichts des experimentellen Charakters der
Methode habe man sich allerdings von Beginn an auf die Therapie chronisch
neurotisch Kranker beschränkt. Deshalb seien die Möglichkeiten
zur Behandlung anderer Störungen nicht ausreichend sondiert worden.
So habe auch er nur chronische Zwangs-, Angst- und Charakterneurosen sowie
einige Alkoholiker zur Behandlung zugelassen.
Den routinemäßigen Ablauf der LSD-Behandlungen schildert Robak
wie folgt. Nachdem andere Psychopharmaka eine Woche vor Behandlung abgesetzt
würden, erhielte der Patient um 8.30 Uhr eine LSD-Dosis von 100 mcg.
per os bzw. subkutan. Nach Eintritt der Wirkung lege sich der Patient
bis mittags alleine in einem wohnlichen abgedunkelten Raum auf ein Bett.
Der Therapeut macht während der folgenden Stunden zwischen 3 und
5 Routinebesuche beim Patienten, deren Dauer je nach Bedarf von 5-60 Minuten
variiere. Um 13-14 Uhr sei die Wirkung meist abgeklungen und die Patienten
äßen zu Mittag. Am Nachmittag habe der Patient dann Gelegenheit
mit anderen gleichzeitig behandelten Patienten zusammen zu sein. Er werde
dazu angehalten seine Eindrücke aus der Sitzung aufzuschreiben, die
dann mit dem Arzt durchgesprochen und diskutiert würden. Zwischen
den in der Regel wöchentlich stattfindenden LSD-Sitzungen vertieften
Patient und Arzt die psychotherapeutische Bearbeitung des aufgetauchten
Materials (1x täglich - 1x wöchentlich).
Robak hat auch Erfahrungen mit LSD als Adjuvans zu intensiver
Gruppentherapie gesammelt. Bei der Durchführung dieser Behandlungen
folgte er Überlegungen die Leuner (vgl. Leuner 1964; 1981) 1960 auf
dem ä1. Europäischen Symposion über Psychotherapie unter
LSD-25ä in Göttingen 1960 (vgl. Barolin 1961) referierte. Die
Gruppen bestanden immer aus jeweils 3-5 Personen die gleichzeitig in LSD-Behandlung
waren. Eine solche Gruppe sei jeweils nach der LSD-Sitzung für ca.
zwei Stunden zusammen, wo jeder seine Erlebnisse schildern, kommentieren
und in die gemeinsamen Diskussionen einbringen könne. Im Anschluss
daran hätten die Patienten frei, bis die Gruppe am nächsten
Morgen wieder zusammentreffe. Der Patient könne in der Gruppe seine
intimsten und persönlichsten Probleme offenbaren und sie vermittle
auch in schwierigen Zeiten therapeutischen Optimismus und schaffe stützende
Solidarität. Auch die positiven Behandlungsresultate sprächen
für die gruppentherapie-unterstützte Behandlungstechnik.
Bis zum Mai 1962 behandelte Robak 24 Patienten, von denen bis dahin 15
die Behandlung abgeschlossen hatten. Die Patienten erhielten insgesamt
186 LSD-Behandlungen mit einer Durchschnittsdosis von 135 mcg. 10 der
Patienten litten an Charakterneurosen, die anderen 5 unter Zwangsneurosen.
Von diesen Patienten zeigten nach seinen Angaben etwa 50% trotz schwerer
chronifizierter neurotischer Störungen nach der LSD-Behandlung deutliche
Besserungen.
In einer Schlussbemerkung bezeichnet Robak LSD als brauchbares psychotherapeutisches
Hilfsmittel, dessen Wirkungen lösende und akzelerierende Kraft im
psychotherapeutischen Prozess besäßen.
Zwei Jahre nach Robaks vorläufigem Bericht gibt Johnsen (1964b) als
Grund für die Einführung der psycholytischen Therapie an seiner
Klinik die große Zahl therapieresistenter Patienten an. Zur genaueren
Charakterisierung dieser Patientengruppe zitiert Johnsen den holländischen
Psycholyse-Experte Arendsen Hein (1963), der 1963 drei markante Gruppen
solcher therapieresistenten Patienten beschrieben hat:
1. Die emotionalen Analphabeten - Diese hätten keine Wahrnehmung
der Beziehung ihrer Symptome zu ihren Gefühlen, einen sehr reduzierten
Kontakt zu sich selbst und mangelnde Introspektionsfähigkeit (Psychopathen,
psychosomatische Patienten).
2. Die rationalisierenden Intellektuellen - Diese neigten zur Verbalisierung,
aber generierten ihre Einsichten ohne angemessene Gefühle und zeigten
dadurch keine wirkliche innere Teilnahme am psychotherapeutischen Prozess
(hauptsächlich Charakter- und Zwangsneurotiker).
3. Die stillen, stark gehemmten und verschlossenen Patienten - Diese hätten
eine so starke und undurchdringliche Abwehr, dass jeder fruchtbare therapeutische
Kontakt behindert sei, weil sie ihren Gefühlen keinen Ausdruck verleihen
könnten.
In Johnsens Klinik waren es vor allem die Schwierigkeiten mit schweren
Zwangsneurosen und sexuellen Perversionen, die sie zur Anwendung der neuen
Methode führten. Seit Sommer 1961 verwendeten Ärzte der Klinik
bei 200 Patienten LSD und Psilocybin in insgesamt ca. 1500 Sitzungen zur
Unterstützung der Psychotherapie.
Die Anwendungs- bzw. Indikationsbereiche der Methode steckt Johnsen (1967:
333f.) aufgrund seiner Erfahrungen wie folgt ab:
1. LSD oder Psilocybin als Explorationshilfe zur Klärung diagnostischer
Probleme am Beginn von Schizophrenien, endogenen Psychosen sowie schweren
Neurosen. Zugleich könne aus den Sitzungen oft das weitere therapeutische
Vorgehen abgeleitet werden.
2. Wichtigster Anwendungsbereich sei fraglos die Hilfe bei der Tiefenanalyse:
Um Widerstände zu überwinden, Zeit zu sparen, dem Patienten
emotionale Einsicht zu vermitteln und Abreaktionen zu beschleunigen.
3. Die Anwendung als ultima ratio bei den von Arendsen Hein charakterisierten
Patientengruppen.
4. Benutzung von nur wenigen LSD- bzw. Psilocybinsitzungen in der Endphase
einer konventionellen tiefenpsychologischen Behandlung zwecks Vertiefung
der gewonnenen Einsichten (1967:335).
Bei der unter 2. genannten häufigsten Anwendung, der Unterstützung
einer Tiefenanalyse, hätten er und seine Mitarbeiter immer mit sehr
kleinen Anfangsdosen begonnen. Mit zunehmender Erfahrung entschieden sie
über die Initialdosen jedoch fallabhängig. Dass die erste Behandlung
effektiv ist erscheint ihnen wichtig, um den Patienten zu ermutigen und
vom Wert der Behandlung zu überzeugen. Zugleich erfolge immer eine
begleitende Behandlung mit Einzel- und Gruppenpsychotherapie (vgl. Johnsen
1964b: 385).
Die unter 3. genannten schweren Angst- und Zwangsneurotiker zeigten vielerlei
produktive Regressionen auf frühe Kindheitserinnerungen, die bei
den anderen Patientengruppen bedeutend seltener seien. Patienten wie Charakterneurotiker,
sexuell gestörte und Psychopathen zeigten dagegen meist tiefe emotionale
Reaktionen mit „kosmischen“ und „mystischen“ Erfahrungen.
Diese seien von großer Bedeutung und Wichtigkeit vor allem für
Patienten die ihre Emotionen bislang immer unterdrückt gehalten hätten.
Im Gegensatz zu zwangsneurotischen, narzisstischen und hysterischen Patienten,
bei denen solcherart Erfahrungen kaum beobachtet würden, seien Alkoholiker,
Psychopathen und Freiwillige anscheinend eher in der Lage sich in die
Erfahrung bis zum erscheinen dieser Erlebnisformen einzulassen (vgl. auch
Grof 1978: 120). „The severe characterneuroses, psychopaths, perverts
and alcoholics, however, experience something new and creative under LSD
treatment. The cosmic experience gives them a strength which is the point
of departure for a new behaviour pattern: they achieve emotional contact
with their own egos, they are able to discover new facets in themselves
and to recognise powers in themselves which they have formerly ignored
or denied the existence of” (Johnsen 1964b: 386).
Die erzielten Resultate wurden allerdings nicht mittels einer systematischen
Nachuntersuchung eruiert, sondern basieren nur auf den persönlichen
Eindrücken der behandelnden Ärzte. Sie beschrieben in mehr als
60% der Fälle deutliche Besserungen. Die 14 Zwangsneurotiker waren
die schwersten der behandelten Fälle mit z.T. jahrelangen Krankenhauskarrieren;
von diesen wurden laut Johnsen 7 stark gebessert, während 2 noch
in Behandlung waren und 5 unverändert blieben. Die 8 Alkoholiker
wurden bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht nachuntersucht.
Abschliessend bemerkt Johnsen (1964b: 387) im Hinblick auf die ungewöhnlich
schwer erkrankten Patienten: “We have undoubtly openend up new possibilities
for these patients before whom we stood helpless” ... “Furthermore
it is our impression that the use of psycholytica is a serious form of
treatment which is not dangerous if carried out in a clinic with trained
staff and given under the correct indications”.
In dem vier Jahre seiner therapeutischen Arbeit mit LSD, Psilocybin und
dessen Derivat CZ 74 zusammenfassenden Artikel betont der in Johnsens
Klinik arbeitende Psychiater Alnaes (1965: 397ff.) zunächst die besondere
Bedeutung tiefgehender psychedelischer Erfahrungen für die existentielle
Selbst- und Weltkonfrontation des Patienten. Diesen komme im Rahmen solcher
Erfahrungen mit existentiellen Problemen wie der Frage nach der Bedeutung
des Lebens, der Suche nach neuen Werten und neuer Lebensorientierung in
Berührung. Bei LSD-Behandlungen trete nämlich nicht nur unbewusstes
Material aus persönlichen Konfliktfeldern zutage, sondern auch Erfahrungen
aus „archetypischen“ und religiösen Ebenen des innerpsychischen
Erfahrungsspektrums, die für die Patienten oft weitreichende weltanschauliche
Konsequenzen haben könnten.
An der Differenz des generierten Erfahrungsmaterials setzt für ihn
auch die Unterscheidung von psycholytischer und psychedelischer Therapie
an. Im Unterschied zur psycholytischen Therapieform, die eine Durcharbeitung
persönlich-biographischen Konfliktmaterials in den Mittelpunkt stelle,
determinierten die psychedelischen Verfahren (Verabreichung höherer
Dosen bei quasi-religiöser Einstimmung des Patienten) den Wandel
des Patienten weniger durch psychotherapeutische Manipulationen als durch
die Erfahrungen selbst. Tiefgehende psychedelische Erfahrungen besäßen
meist mystisch-offenbarenden Charakter und könnten in kurzer Zeit
langfristig wirksame Persönlichkeitswandlungen bewirken.
Was nun die Erfahrungen von Alnaes mit den von ihm behandelten Patienten
angeht, so berichtet er, dass er bezüglich der Auswahlkriterien den
konventionellen Vorgaben psycholytischer Therapie gefolgt sei. D.h. psychotische
und präpsychotische Patienten seien genauso wie Ich-Schwache, infantile
und hysterische Persönlichkeiten ausgeschlossen worden. Außerdem
kam regelmäßig ein persönlichkeitspsychologischer Fragebogen
zur Anwendung, der dem Behandler sowohl eine Feststellung relevanter Persönlichkeitsmerkmale
(„trust in interpersonal relations, tolerance for regressive experiences,
willingness to give up ego control, rigidity vs. Flexibility“) ermöglichte
als auch einen ersten Hinweis auf die zu verwendende Dosishöhe geben
könne.
10 der 20 Patienten erhielten laut Alnaes eine konfliktzentrierte analytische
Psychotherapie. Sie durchliefen zwischen 10 und 60 Sitzungen mit einer
Dosis von 100-200 mcg. LSD bzw. 10-30 mg Psilocybin und wurden begleitend
mit Einzel- und Gestaltungstherapie (Malen) behandelt. Die übrigen
10 Patienten wurden versuchsweise mit einer der psychedelischen Methode
von Leary et al. (Leary 1964; Leary, Alpert & Metzner 1964) nachempfundenen
Technik mittels nur weniger hochdosierter Sitzungen behandelt. Die Behandlungen
erfolgten immer unter tagesklinischen oder stationären Bedingungen.
Alnaes hebt hervor, dass die Verwendung hoher Dosen stets eine gründliche
Vorbereitung des Patienten erfordere, wie auch die Einstellung des Patienten
auf den religiösen Cahrakter des zu erwartenden Erlebens. Als Grundlage
diente Alnaes dafür das Werk über „Psychedelische Erfahrungen“
von Leary, Albert und Metzner (1964). Ein äußerst wichtiger
Faktor sei bei dieser Behandlungsform die vertrauensvolle Beziehung zum
Arzt und den Gruppenmitgliedern. Um Furcht und negative Reaktionen zu
vermeiden, werden von Alnaes im Vorfeld der Erfahrung Praktiken des autogenen
Trainings gelehrt, auf die der Patient dann u.U. während der Sitzung
zurückgreifen könne. Als äußeren Rahmen wurde dem
Patienten ein wohnliches Zimmer mit Blumen und Kerzenbeleuchtung sowie
ausgewählter klassischer Musik zur Verfügung gestellt, was bekanntermaßen
der Erlangung archetypisch-existentieller Erfahrungen und Einsichten förderlich
ist (Grof 1978; Bonny & Pahnke 1972). Die in Sitzungen mit psychedelischer
Patientenvorbereitung und Dosierung gewonnenen Einsichten beziehen sich
laut Alnaes vornehmlich auf die Beziehung von vorhergehender Ich-Konzeption
und der auf einer temporären Ich-Verlust-Erfahrung basierenden neuartigen
Ich-Konzeption. Die Wahrnehmung und Akzeptanz tieferer Realitätsdimensionen
lässt auch die persönlichen Konflikte in einem anderen Licht
erscheinen.
Der Zustand unmittelbar nach einer solchen Erfahrung sei gekennzeichnet
durch gesteigerte Suggestiblität und Erinnerung, was die psychotherapeutische
Nacharbeit vertiefen helfe. „Under the `return`, the patient has
a greater capacity to analyze and to integrate the experience, to became
clear about his life ... and at the same time see the possibility of a
change. It can give him an increased insight and clearness into the problems,
help him to find a new meaning in a more realistic style of life”
(Alnaes 1965: 403). Für Alnaes verdankt die psychedelische Erfahrung
ihren therapeutischen Wert einem direkten erfahrungsinduzierten Wandel
im Wertekosmos der Person.
Der auf die Erfahrung folgende Tag wurde immer von jeglichen Verpflichtungen
freigehalten, so dass dem Patienten Zeit zur Arbeit an sich selbst gegeben
war.
Besondere Aufmerksamkeit richtete Alnaes auf die Frage, welche Patienten
den größten Vorteil von der psychedelischen Behandlung hatten.
Seiner Erfahrung nach machten Patienten bei denen keine psychedelischen
Erfahrungen induziert werden konnten, bedeutend langsamere Fortschritte
in der Therapie. Insofern sei zu fragen, ob nicht durch das Einfließen
solch tiefreichender Erfahrungen auch die sonst bedeutend langwierigere
psycholytische Kur intensiviert und abgekürzt werden k”nne.
Hierbei sei auch an das Prinzip der reciprocal inhibition zu denken, demzufolge
ein Kontrastieren von wiedererlebtem traumatischen Erinnerungsmaterial
mit gegenläufigen positiven Erfahrungen gesundungsf”rdernd
wirken k”nne.
Schweden
Über die Verwendung psycholytischer Therapie in Schweden
liegt nur eine Publikation von Lennard Kaij (1963: 928ff.) vor, in welcher
er zunächst ausführlich über seine Besuche im Powick-Hospital
bei Sandison berichtet. Dort lernt er Mitte der fünfziger Jahre die
von Sandison und Mitarbeitern durchgeführte Form der LSD-Therapie
kennen. Diese arbeitet mit der klassischen Team-Behandlung, d.h. einer
psychiatrisch ausgebildeten Krankenschwester als permanenter Beisitzerin
des Patienten und nur gelegentlichen Besuchen des Arztes während
der LSD-Wirkung. Nur gelegentlich erfolge nach den Sitzungen eine zusätzliche
gruppentherapeutische Aufarbeitung des Erlebten. Der Therapeut verhielt
nach Kaijs Beobachtungen überraschend passiv und verharrte vorwiegend
in einer observierenden Haltung. Er stellte kaum einmal Fragen von sich
aus und gab dem Patienten auch keinerlei Interpretationen an die Hand.
Da Kaij in dem Abschnitt „Eigene Erfahrungen“ seine Vorgehensweise
nicht weiter spezifiziert, ist davon auszugehen, dass er sich bei seinen
Behandlungen im Wesentlichen an das Vorgehen von Sandison und Mitarbeitern
gehalten hat. Was den Indikationsbereich der Methode angeht, übernimmt
er explizit die Ansichten von Sandison: Zwangsneurosen, Psychopathien
und Sexualneurosen seien gut für die LSD-Behandlung geeignet.
Von 1957 an wurden in der psychiatrischen Klinik in Lund von Kaij psycholytische
Behandlungen an elf vorwiegend zwangs-, angst- und charakterneurotischen
Patienten durchgeführt. Es handelte sich auch hier wieder um schwer
gestörte Patienten mit negativer Prognose. Die Sitzungshäufigkeit
variierte zwischen 6 und 40, die Dosierung zwischen 50 und 700 mcg. Vor
und nach den Sitzungen wurden die Patienten mittels einer verstehenden
Psychotherapie behandelt.
Nach den Angaben von Kaij konnten sämtliche der behandelten Patienten
gebessert werden, vor allem im Hinblick auf ihre, vorher stark eingeschränkte,
Arbeitsfähigkeit. Leider bleiben seine diesbezüglichen Angaben
rudimentär. Am Ende seiner Studie fasst er seine Erfahrungen dahingehend
zusammen, dass die psycholytische Behandlung bei sachgemäßer
Auswahl und Betreuung der Patienten praktisch risikolos sei.
3. Diskussion
Bei den im Vorstehenden geschilderten Studien handelt es
sich um Darstellungen klinischer Projekte, in deren Rahmen zwar auch ambulante
Patienten behandelt wurden, deren Psycholyse-Sitzungen sich aber immer
innerhalb eines klinischen Rahmens abspielten. Die skandinavischen Forscher
führten die Psycholyse zunächst orientiert an den Vorgaben und
Praktiken von Sandison et al. (Sandison 1954; Sandison & Spencer 1954;
Sandison, Spencer & Whitelaw 1957) und Leuner (1959; 1962; 1963; 1964)
in den klinischen Alltag ein. Zumeist begann man mit einleitenden Selbstversuchen
und ging dann dazu über, die Möglichkeiten der neuen Methode
systematisch an Patienten zu erforschen. Da es während dieser explorativen
Phase zu einigen Zwischenfällen im Zusammenhang mit depressiven Nachschwankungen
kam, wurden von den Forschern verschiedene Modifikationen des Verfahrens
erarbeitet, die seine Handhabung in der Folge sicherer gestalteten. Neben
einer Präzisierung des Indikationsspektrums spielten dabei Veränderungen
des Behandlungsrahmens in Richtung einer freundlicheren Gestaltung der
Räumlichkeiten sowie die wachsende Erfahrung des sitzungsbetreuenden
Personals eine nicht zu unterschätzende Rolle. Wegen der oben erwähnten
Komplikationen im Zusammenhang mit depressiven Nachschwankungen im Anschluss
an die halluzinogen-katalysierte Evokation psychischen Konfliktmaterials
wurde die Behandlung ambulanter Patienten zuletzt nur noch unter teilstationären
Bedingungen (Patient übernachtet in der Klinik) durchgeführt.
Ein solcher teilstationärer Rahmen bietet die Möglichkeit einer
mindestens 24-stündigen Nachbeobachtung, womit nach den Angaben der
Autoren in der Folgezeit solche Komplikationen vermieden werden konnten.
Obwohl zunächst von einigen der Forscher ein pharmakologisch orientierter
Ansatz verfolgt wurde, den insbesondere Geert-Jörgensen mit seinen
psychotherapieabstinenten LSD-Behandlungen über Jahre fortführte,
erkennen die Autoren zunehmend die Bedeutung der psychotherapeutischen
Durcharbeitung des Erlebten und bemühen sich um eine Optimierung
der psychotherapeutischen Begleitbehandlung. So haben die meisten Autoren
mit den wöchentlichen bzw. 2-wöchentlichen Psycholyse-Sitzungen
eine dichte psychotherapeutische Begleitbehandlung tiefenpsychologischer
Richtung verbunden.
Nach einigen Versuchen mit Gruppen- und Einzeltherapie während der
LSD- bzw. Psilocybin-Wirkung, deren Ausgang sich jedoch eher unbefriedigend
gestaltete, gehen die Autoren immer mehr dazu über, dem Patienten
während der Wirkzeit der Substanzen nur vorsichtig supportiv zu observieren
und die psychotherapeutische Durcharbeitung des Erlebten auf die Zeit
nach Abklingen der Wirkung zu verlegen. Eine Ausnahme bilden hier die
wenigen von Alnaes (1965) durchgeführten Behandlungen nach der psychedelischen
Methode.
Überblickt man die psychotherapeutischen Behandlungen, so kristallisiert
sich die am Abend bzw. nächsten Morgen nach der Sitzung stattfindende
Bearbeitung des Erlebten im Rahmen von gruppentherapeutischen Sitzungen
- wie vordem schon von Sandison und Leuner praktiziert - als von den meisten
Autoren für optimal erachtet heraus. Zusätzlich sollte nach
Ansicht der Autoren dem Patienten - wo immer notwendig - auch das Angebot
von Einzelgesprächen offenstehen.
Von den Indikationen her haben sich die Autoren auf ein Klientel negativ
prognostizierter Charakter-, Angst- und Zwangsneurotiker sowie sexuelle
Neurosen beschränkt. Psychotiker und Borderline-Fälle wurden
genauso wie hysterische und infantile Persönlichkeiten von der Behandlung
strikt ausgeschlossen. Ganz besondere Bedeutung für die Indikationsstellung
verdient nach übereinstimmender Meinung der Autoren auch die Gesamtstruktur
der Persönlichkeit, wobei ausreichende Ich-Stärke, feste Bindungen
und gute soziale Integration den besonders geeigneten Patiententyp charakterisieren
sollen.
Besondere Möglichkeiten bietet die psycholytische Behandlung nach
Ansicht der Autoren insbesondere bei Patienten mit ausgeprägter neurotischer
Abwehrstruktur im Rahmen chronischer neurotischer Entwicklungen. Hier
könnten über eine halluzinogen-induzierte temporäre Umstrukturierung
neurotisch festgefahrener Abwehrformationen dissoziierte Persönlichkeitsanteile
aktiviert und psychotherapeutisch reintegriert werden.
Neben dem Wiedererleben und Durcharbeiten traumatischer Erinnerungen und
gegenwärtiger Konflikte sollte nach Meinung der Autoren auch auf
den integrierenden und persönlichkeitswandelnden Effekt tiefgreifender
psychedelischer Erfahrungen von religiös-existentieller Prägung
nicht verzichtet werden, da diese in vielen Fällen geeignet seien,
Selbsteinsichten zu vertiefen und auch den Therapiefortschritt z.T. enorm
zu beschleunigen (vgl. Alnaes 1965).
Kritisch ist anzumerken, dass die referierten Autoren, trotz eines überwiegend
tiefenpsychologischen Therapieansatzes, das Problem der Übertragung
in der psycholytischen Therapie nicht adäquat gewürdigt haben.
Dies ist insofern bemerkenswert, als die durch das gesteigerte imaginäre
Erleben die Übertragungsbeziehung während psycholytischer Sitzungen
stark intensiviert ist. Die Aktivierung und Ausgestaltung der Übertragungsphänomene
kann deren therapeutische Durcharbeitung oft stark beschleunigen, aber
auch Probleme aufwerfen. Außerdem ist von den Autoren das Spektrum
der durch Psycholytika induzierten Erfahrungen in seiner phänomenologischen
Eigenart - wo überhaupt - leider nur sehr vage und unpräzise
beschrieben worden.
Was die verabreichten Substanzen angeht, wird die optimale Durchschnittsdosis
für psycholytische Behandlungen im Mittel mit 100-250 mcg LSD bzw.
10-30 mg Psilocybin angegeben. Dem Psilocybin bzw. seinem kürzerwirkenden
Derivat CZ 74 wird von den skandinavischen Autoren allerdings der Vorzug
vor dem LSD gegeben, da es sich aufgrund seiner besseren klinischen Steuerbarkeit
aufgrund kürzerer Wirkungsdauer sowie geringeren vegetativen Nebenwirkungen
komplikationsloser einsetzen lasse. Was die Applikationsform betrifft,
favorisieren fast alle Autoren die Verabreichung per injectionem (intramuskulär
bzw. subcutanr), da diese durch Verringerung von vegetativen Nebenwirkungen
und Abkürzung der Erwartungsspannung des Patienten Vorteile biete.
Zwischen 1960 und 1968 haben die skandinavischen Autoren insgesamt mehr
als 500 Patienten mit der psycholytischen Methode behandelt.
Einen, angesichts der wissenschaftlichen Beweisnot heutiger Psycholyse-Therapeuten
(vgl. Benz 1989; Pletscher & Ladewig 1994), besonders schwerwiegenden
Kritikpunkt bei den skandinavischen Studien stellen die aus heutiger Perspektive
mangelhaften katamnestischen Untersuchungen dar. Obgleich von allen Autoren
übereinstimmende Aussagen bezüglich der guten Wirksamkeit psycholytischer
Behandlungen bei einer Vielzahl von Fällen gemacht werden, erscheinen
ihre katamnestischen Untersuchungen an verschiedenen Punkten problematisch.
So ist etwa die auf viele der behandelten Patienten angewendete Diagnose
„Charakterneurose“ nicht ausreichend präzise definiert
worden und wäre mindestens von derjenigen der „Psychopathie“
wie auch den Symptomneurosen genauer abzugrenzen gewesen. Auch die Explikation
der psychotherapeutischen Prämissen der einzelnen Forscher lässt
bleibt unpräzise und lässt zu wünschen übrig. Weiterhin
wurden die Katamnesen nur rudimentär dokumentiert und auch kaum auf
systematischem Wege (Fragebögen, unabhängige Nachuntersucher
usw.) ausgewertet. Ein weiterer Mangel ist darin zu sehen, dass sich die
Kriterien für den Status ägebessertä nirgends klar definiert
finden.
Obgleich die evaluativen Studien der skandinavischen Autoren im historischen
Kontext betrachtet werden müssen und den damals üblichen Standards
durchaus genüge getan haben mögen, erscheinen sie doch aus heutiger
Perspektive mit derart gravierenden Mängeln behaftet, dass eine wissenschaftliche
Auswertung ihrer Resultate bestenfalls Hinweischarakter haben kann. Größeres
Interesse dürften dagegen die von ihnen in klinischer Arbeit vollzogene
Ausmessung des Komplikationsspektrums, die empirisch geleitete Eingrenzung
des Indikationsbereiches sowie vor allem die Präzisierung der Sicherheitsstandards
psycholytischer Behandlungen beanspruchen.
Grundsätzlich sind angesichts des gestiegenen Niveaus psychotherapeutischer
Evaluationsforschung in Zukunft exaktere und fundiertere Nachuntersuchungen
wünschenswert, wie sie von Mascher (1966), Leuner (1981; 1987; 1994a)
und Schultz-Wittner (1989) sowie der Baltimore-Gruppe in Amerika (vgl.
Yensen & Dryer 1995) bislang schon in Ansätzen realisiert wurden.
Sollten genauere Untersuchungen die mehr anekdotisch zu wertenden positiven
Ergebnisse der hier referierten Autoren bestätigen, wäre es
denkbar, dass die Psycholyse in Zukunft eine M”glichkeit zur Behandlung
einer nicht geringen Anzahl schwer gestörter reaktiv psychisch Erkrankter
darstellen könnte, und dies insbesondere bei Patientengruppen die
mit den gewöhnlichen Methoden nur schwer oder gar nicht erreichen
lassen (vgl. Leuner 1981). Außerdem könnte es angesichts des
kostenintensiven Aufwandes langfristiger tiefenpsychologischer Behandlungsverfahren
auch von Wert sein, ihr Potential für eine Effektivierung und Verkürzung
konventioneller tiefenpsychologischer Verfahren einer erneuten Prüfung
zu unterziehen.
4. English Summary
Psycholytic Therapy in the Scandinavian Countries. A Historical
Review.
This article presents an historical review of the research
in psycholytic therapy in Denmark, Norway and Sweden. Research groups
in these countries began their work around 1960 with some self experiments
and first attempts in treating psychoneurotically severe disturbed patients.
They published between 1960 and 1968 more than 25 articles about clinical
psycholytic work and participated in some international conferences on
the subject. This little known research work is of interest insofar as
it seems to have exemplary character for the phase of establishment of
the clinical method and shows the interactions between the experimenters,
the problems they encountered, and their successive solutions in modifying
the treatment procedures.
Because of the lack of experience with these substances (LSD and Psilocybin)
the researchers first employed it following the guidelines provided by
the work of SANDISON (England) and LEUNER (Germany). This meant that the
patients were treated in separate rooms, supported by a team of a permanently
present nurse and a regularly visiting doctor.
Their research lead quickly to the conclusion that the main factor of
treatment was not the medication itself; rather the psychotherapeutic
treatments before and after the psycholytic session were as important
as the sessions themselves in generating and directing the experience
in the desired direction of selfdiscovery. The emergent material from
the drug-sessions was worked through and integrated in ordinary psychotherapy
in between the sessions. The researchers mainly used weekly to biweekly
low-dose-sessions (100-200 mcg. LSD or 10-30 mg Psilocybin) with their
patients in the context of a conventional psychotherapeutic framework.
The participating physicans mentioned the ease in overcoming psychic resistance,
the emergence of problematic psychic material, and the detailed recall
of childhood events. The patients reported unusually deep insights into
their own psychic functioning, the connections of their symptoms with
traumatic events of their lives, and deep-reaching experiences of an "archetypical"
or "mystical" character. These findings were also associated
with severly disturbed neurotics with such strong intrapsychic defensive
mechanisms that they were called "therapy-resistant" and unresponsive
to conventional psychotherapeutic methods.
The patients included more than 550 severely disturbed individuals with
diagnoses of character-, anxiety-, obsessional- and sexualneurosis.
In part because of these hard-core patient-problems the researchers were
confronted in the first few years with some serious complications like
one suicide, four suicide attempts and an unusual case of homicide in
the course of their treatments. Analysis of these cases showed that they
were mainly a consequence of the aftereffects of the sessions, when some
patients developed a temporary kind of depressive reaction. Consequently
they changed their treatment procedure for treating out-patients to a
semi-clinic setting, where the patients spend the night after in the hospital,
and could observed for a minimum of 24 hours. They developed more precise
criteria for the indications for treatment which excluded psychotic, praepsychotic,
hysteric and impulsive psychopathic patients. They also looked much more
at the patient`s whole personality structure, which seemed to be a good
indicator for complications and treatment success. After these changes
they observed no complications like the above mentioned ones.
Some of the researchers performed original experiments which should be
mentioned. KJAERBYE KRISTENSEN of Denmark experimented with additional
Ritalin-medication which temporarily strenthened the LSD-effects and led
to strong emotional involvement of the patients in their memories. Carefully
used it could help to overcome the defensive patterns of even chronic
neurotically structured patients, but it should not be used routinely.
MOGENS HERTZ of Denmark hypothesized that the neurotic behavior is mainly
characterized by an equilibrium in the psyche of patients who were not
allowed to experiment with new self and world concepts in learning to
adjust to environmental circumstances. Altering consciousness by psychedelics
or sensory deprivation could help the patient to come out of neurotically
fixed patterns and learn again. In that way the LSD-experience is defined
as a stress-reaction which brings up new insights and learning processes.
This was demonstrated in study of the stress-hormone hydroxycortisol-levels
during the course of the experience which were directly correlated to
the content and intensity of the experience. Studies of the same type
were also done by ALNAES and SKAUG of Norway.
EINAR GEERT-JÖRGENSEN, chief of the group in Denmark, performed some
treatments with LSD and psilocybin without any psychotherapeutic treatment
to find out the neurologic aspects of LSD-treatments. It was obviously
harder for the patient to work through the experience without any professional
help, but in some cases the results were astounishingly good. The order
of emergence and content of psychic material in these patients mainly
followed the lines shown by psychoanalysis - without any influence from
psychotherapists!
RANDOLF ALNAES of Norway experimentally used the psychedelic treatment
procedure as described by BLEWETT et al. and LEARY et al for some of his
patients. He observed improvement in his patients and saw that deep-reaching
psychedelic experiences could lead to long-term personality changes and
an enormous treatment acceleration. He favours an approach which gives
the patient both access to traumatic memories (psycholytic approach) and
positive psychedelic experiences with existential insights to deepen and
speed up the therapeutic process (psychedelic approach).
In regard to treatment results, the authors are all convinced of the power
of the treatment with psycholytic substances, even in spite of some negative
statements in the literature. The groups in Denmark and Norway made some
catamnestic studies which presented some evidence of patient improvement
in more than 60% of their severely disturbed patients which couldn`t be
treated with conventional methods. These studies only reached the standards
of psychotherapy-evaluation of the sixties, but this is more a historical
fate than an direct deficit of their work. Nevertheless seen from the
perspective of today these evaluations represent a very low level of evidence.
Experimental treatment-procedures are also confronted with special problems
in treatment-evaluation because of the changes which have to be established
with regard to the new problems, which may affect basic aspects of the
treatment procedures, i.e. the evaluation outcome.
As a consequence of their experimenting, the authors concluded the optimal
arrangement for psycholytic treatment was psychoanalytically-oriented
Group-therapy after the experience to discuss and integrate the relived
events and insights of the session. The patient should also be offered
individual psychotherapy if necessary. In criticism, none of the authors
made statements or discussed the special transference- and countertransference-problems
involved in psycholytic therapy. These are an important part of the treatment
and differ not structurally, but in intensity from those of conventional
psychoanalytically-oriented treatments.
In regard to the substances used all authors preferred psilocybin or the
short-acting psilocybin-derivate CZ 74 instead of LSD because of their
shorter duration, lesser side effects, and their tendency to produce very
few negative psychic reactions. They all favored intramuscular or subcutaneous
injection as the mode of application for the substances because of fewer
side effects and to reduce the tension of expectation in the patient.
The Scandinavian researchers contributed a good deal to establish psycholytic
treatment procedures and strenghened the safety of the treatment in its
routine clinical application. As GORDON JOHNSEN of Norway concluded: "...
it is our impression that the use of psycholytica is a serious form of
treatment which is not dangerous if carried out in a clinic with trained
staff and given under the correct indications" (Johnsen 1964: 388).
Like nearly all other research in this area, the Scandinavian research
was halted in the beginning of the seventies, as a consequence of the
upcoming bad publicity and the WHO-initiated law-changes regarding psychedelic
substances.
In conclusion it seems that psycholytic therapy could be a serious and
safe treatment, especially for severely disturbed neurotic patients who
can`t be reached by conventional psychotherapy. It also may be a worthwhile
method for accelerating and making more effective conventional psychoanalytic
therapy, which could save costs. Therefore it could be of value to review
the method without prejudices to find out the possible applications today
and in the future.
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